Montag, Oktober 31, 2005
UMTS und Qualcomm: Patentrechtsfalle?
Gemäss "The Register" haben Nokia, Panasonic, NEC, Ericsson, Texas Instruments und Broadcom bei der EU-Kommission eine wettbewerbsrechtliche Beschwerde gegen Qualcomm eingereicht. Die Beschwerde erfolgt offenbar im Zusammenhang mit den patentrechtlich geschützten Technologien von Qualcomm, welche für den 3G Mobilfunk verwendet werden.
Qualcom's WCDMA Technologie bildet die Basis des 3G oder UMTS Standards, und im Zeitpunkt der Erarbeitung des Standards hat Qualcom offenbar "versprochen", dass diese Technologie zu "fair, reasonable and non-discriminatory terms" ("chancengleichen, angemessenen und nichtdiskriminierenden Bedingungen"; eine oft verwendete, jedoch nicht einfach anzuwendende Formulierung) lizenziert wird. Jetzt scheint Qualcomm dies jedoch anders anzuwenden:
"Instead, they say, it charged royalties "for its WCDMA essential patents that are excessive and disproportionate". Qualcomm charges as much for its WCDMA-related patents as it does for its CDMA2000 patents "despite the fact that Qualcomm has contributed far less technology to the WCDMA 3G standard than it has to the CDMA2000 standard", they claim.
The six maintain Qualcomm's intention has been to "to exclude competing manufacturers of chipsets for mobile phones from the market and preventing others from entering". In part it has done so by "offering lower royalty rates to handset customers who buy chipsets exclusively from Qualcomm", the rival vendors complain."
Drei Punkte scheinen mir in diesem Zusammenhang erwähnenswert:
1. Es scheint sich hier nicht um einen klassischen "patent ambush" zu handeln, in welchem ein Patentinhaber bei der Ausarbeitung eines neuen Standards teilnimmt und seine eigenen Patente verschweigt, um dann nach Festsetzung und Markteinführung des Standards plötzlich Lizenzgebühren zu verlangen. Siehe zu dieser Problematik z.B. den Beitrag "Competition & Intellectual Property Policy Implications of Late or No IPR Disclosure in Collective Standard-Setting" von einer Mitarbeiterin der GD Wettbewerb, oder dem Rambus Fall. Im vorliegenden Fall wussten die Wettbewerber, dass Qualcomm eine essentielle Technologie besitzt und haben diese (trotzdem) in die Definition des Standards eingeschlossen.
2. Die Ausgestaltung eines Standards, welcher patentrechtlich geschütze Technologien beinhaltet, kann in Form eines sog. Patent- oder Technologiepools geschehen (die notwendigen Technologien werden an den Pool lizenziert, der dann den einzelnen Nutzern die notwendige Lizenz erteilt. In diesem Fall hat die Kommission in ihren "Leitlinien zur Anwendung von Artikel 81 EG-Vertrag auf Technologietransfer-Vereinbarungen" für marktbeherrschende Pools festgehalten, dass "Lizenzgebühren und andere Lizenzbedingungen in fairer und nicht diskriminierender Weise festgelegt werden" müssen und dass es zu keinen "wettbewerbsschädlichen Wirkungen auf den nachgelagerten Märkten kommt" (Rz. 226). Für unterschiedliche Verwendungszwecke können jedoch unterschiedliche Gebühren verlangt werden. Ohne weitere HIntergrundinformationen zum vorliegenden Fall ist es natürlich schwierig abzuschätzen, wie die Situation hier liegt; es scheint jedoch, dass hier kein Patentpool verwendet, da Qualcomm selbst die Lizenzgebühr gegenüber den Handset-Kunden erhebt.
3. Das Verhalten von Qualcomm gegenüber den Handset-Kunden scheint einem wirtschaftlichen "bundling" zu entsprechen, da die Technologielizenz zusammen mit dem Chipset von Qualcomm günstiger ist, als wenn die Lizenz einzeln bzw. für den Gebrauch mit einem Chipset eines Drittherstellers erteilt würde. Dritthersteller haben somit ein doppeltes Handicap: Einerseits müssen sie (wahrscheinlich?) schon für die Produktion des Chipsets Lizenzgebühren entrichten, und andererseits müssen sie ihren Verkaufspreis auf einem Niveau ansetzen, welches die höhere Lizenz der Handset-Kunden egalisiert.
Angesichts der Tatsache, dass hier wirtschaftliche Schwergewichte wie Nokia, Ericsson, NEC, etc. bei der Kommission eine Beschwerde einreichen, ist davon auszugehen, dass diese Beschwerde von der Kommission ernst genommen wird.
Donnerstag, Oktober 27, 2005
.eu Domainnamen: Avoiding the queue?
Mittwoch, Oktober 26, 2005
Merger Simulations-Modelle: Nützlich oder schädlich?
Sogenannte "Merger Simulation Models" dienen dazu ex ante zu evaluieren ob, und in welchem Umfang eine Fusion zweier Unternehmen zu Preiserhöhungen "post merger" führen können. Um dies zu erreichen, versuchen Ökonomen auf Grundlage der Preise, der Preiselastizitäten und der "marginal costs" die Preisveränderungen aufgrund des Zusammenschlusses zu berechnen. Die zugrundeliegende Idee ist, dass so direkt die Auswirkung der Fusion gemessen werden kann, ohne dass eine die Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschender Stellung begutachtet werden muss.
Anlässlich einer Veranstaltung des Global Competition Law Centre hat sich Mike Walker, ein Ökonome des Wirtschaftsberatungsbüros Charles River Associates, in seinem Vortrag "Merger simulation models: useful or just plain dangerous" erstaunlich kritisch gegenüber der Verwendung derartiger Modell geäussert. Nach eigenen Angaben hätten ihn 10 Jahre Erfahrung in diesem Gebiet dazu gebracht, von der Verwendung von Merger Simulationen abzuraten.
Folgende Gründe würden gegen die Verwendung derartiger Simulationen sprechen:
- Die Fehlerrate derartiger Modelle ist zu gross. Eine geringe Abweichung von 10% bei der Schätzung der "pre merger" Elastizität kann, je nach gewähltem Modell, zu einer Abweichung des "post merger" Preises von 40% bis 90% führen.
- Wichtige Wettbewerbsfaktoren werden ausser acht gelassen: Markteintrittsschranken, Nachfragemacht und das Potential für "post merger" Koordination werden nicht berücksichtigt.
- Jede Simulation kann von einem anderen Ökonomen mühelos kritisiert werden, da ein perfektes Modell nicht besteht.
Demnach sieht Walker einzig eine Verwendung derartiger Simulationen im Zusammenhang mit dem Nachweis von Kosteneffizienzen und zur Begutachtung von struturellen Abhilfemassnahmen.
Anlässlich der gleichen Veranstaltung hat auch Gerben van Gerven, ein Partner bei Linklaters in Brüssel, einige Hinweise bezüglich verfahrensrechtlicher Aspekte getätigt:
- Bei der Erstellung von Simulationen im Vorfeld zu einer Fusionskontrollmeldung, sollte darauf geachtet werden, dass die Simulationen und die damit zusammenhängende Korrespondenz vom Anwaltsgeheimniss gedeckt sind. So kann verhindert werden, dass eine ungünstige Simulation an die Behörde herausgegeben werden muss.
- Falls eine Simulation der Wettbewerbsbehörde kommuniziert werden sollte, muss in Betracht gezogen werden, dass die zugrundeliegenden Daten, aber auch Zwischenversionen der endgültigen Simulation, von der Behörde herausverlangt werden können.
- Konkurrenten werden unter Umständen (in begrenztem Umfang) in die Simulation Einsicht erhalten.
Im Anbetracht der vorstehenden Punkte sollte man sich genau überlegen, ob eine Simulationen in einem spezifischen Fall hilfreich sein wird. Auf jeden Fall sollte die Simulation nie das einzige Beweismittel sein, sie kann jedoch als unterstützendes Beweismittel verwendet werden.
Freitag, Oktober 21, 2005
EU-Kommission: Studie zu Abhilfemassnahmen in Fusionskontrollverfahren
Die Kommission hat heute den lange erwarteten Bericht zu den "Merger remedies" veröffentlicht.
Bei "merger remedies" handelt es sich um Abhilfemassnahmen, bzw. Zusagen in Fusionskontrollverfahren, welche getätigt werden um wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission entgegenzuwirken. Dies kann durch strukturelle (z.B. Verkauf gewisser Unternehmensteile) oder Verhaltenszusagen (z.B. Gewährung von Zugang zu gewissen Technologien oder IPRs) erfolgen.
Der Bericht wurde auf Grundlage der Analyse von 96 Zusagen in 40 repräsentativen Fällen getätigt, in welchen die Kommission ein "remedy" verlangt hat. Die ursprünglichen Parteien und weitere Marktteilnehmer wurden systematisch befragt um die Wirksamkeit, aber auch die Verfahrensproblematik derartiger Zusagen zu bemessen. Der Bericht umfasst beeindruckende 233 Seiten und dürfte wohl interessante Anhaltspunkte für die Verhandlungen mit der Kommission liefern:
"Die Ergebnisse der Studie werden in die Behandlung künftiger Fusionsfälle einfließen. Außerdem sollen sie zusammen mit der jüngsten Praxis und der Rechtsprechung für eine Überarbeitung der Mitteilung über Abhilfemaßnahmen, des Musters für Entflechtungszusagen und des Mandats des Treuhänders genutzt werden. Eine öffentliche Anhörung über die Entwürfe der neuen Texte ist für 2006 geplant."
Montag, Oktober 17, 2005
Microsoft: Anfechtung der "Open Source Entscheidung" der Kommission
Auch auf die Gefahr hin, dass mein Blawg zu sehr mit Microsoft spezifischen Einträgen gefüllt wird, füge ich der Saga einen weiteren Teil hinzu, denn die Entwicklungen in diesem Fall sind wohl von allgemein grossem Interesse:
Im Amtsblatt der Europäischen Union (C 257/16) vom 15.10.2005 findet sich die Zusammenfassung der Anfechtung durch Microsoft einer Entscheidung der Kommission vom 1. Juni 2005.
In dieser Entscheidung hatte die Kommission festgehalten, dass Microsoft "verpflichtet sei, die Verteilung von Software, die von Wettbewerbern auf der Grundlage der offen gelegten Spezifikationen des Windowsprotokolls entwickelt werde, an Dritte, die keine Lizenznehmer seien, in Quellcodeform zuzulassen, sofern die Software keine Erfindung der Klägerin enthalte, die die Kriterien der Neuheit und Erfindungshöhe erfülle."
Somit will die Kommission wohl sicherstellen, dass Open Source Softwareanbieter die Möglichkeit haben, die Windowsprotokolle von Microsoft zu lizenzieren. Interessant ist jedoch die Qualifikation, dass dies nur dann der Fall ist, wenn diese Protokolle keine Erfindungen enthalten welche die Kriterien der Neuheit und Erfindungshöhe erfüllen. Wie ist die zu verstehen? Sind "Erfindungen" im patentrechtlichen Sinne gemeint? Sind nur Protokolle geschützt, welche patentrechtlichem Schutz unterstehen? Falls die Protokollinformationen lediglich Geschäftsgeheimnisse sind, sind diese also nicht geschützt und somit indirekt der Öffentlichkeit freizugeben? Wenn dies der Fall ist, so macht es keinen Sinn überhaupt eine Lizenzierung für diese Protokolle zu verlangen, sondern es würde ausreichen, wenn Microsoft per se zur Offenlegung der Geschäftsgeheimnisse verpflichtet worden wäre. Dies scheint jedoch nicht der Inhalt der ursprünglichen Verfügung gewesen zu sein. Andererseits bedeutet dies für die Open Source Gemeinde, dass keine Protokolle lizenziert werden können, welche derartige "Erfindungen" enthalten.
Was ist die Meinung der Patentrechts-Spezialisten?
Microsoft hat in ihrer Begründung geltend gemacht, dass (i) Geschäftsgeheminisse aufgrund der neuen Verfügung nicht mehr gewährleistet wären, dass (ii) der Grundsatz der Verhätnismässigkeit verletzt sei, dass (iii) die Kriterien der Neuigkeit und Erfindungshöhe den Grundsatz der Rechtssicherheit verletzen würden, insbesondere da sie im Zusammenhang mit Geschäftsgeheimnissen schwer sinnvoll anzuwenden seien, und dass (iv) die Anordnung "verbindliche völkerrechtliche Grundsätze" verletze, da sie "zu einer weltweiten und damit extraterritorialen Preisgabe der Eigentumsrechte ... führe".
Mittwoch, Oktober 12, 2005
Neue Publikationen: "efficiency gains from mergers" und "significant impediment of effective competition"
Die Kommission hat heute auf ihrer Webseite zwei Publikationen veröffentlicht, an welchen der Chefökonome Lars-Henrik Röller beteiligt war:
1. Efficiency gains from mergers, von VERBOVEN Frank, STENNEK Johan und ROELLER Lars-Henrik
2. Ökonomische Analyse des Begriffs significant impediment to effective competition von STROHM Andreas und ROELLER Lars-Henrik (als Teil des Münchner Kommentars)
Eine interessante Lektüre.
Dienstag, Oktober 11, 2005
Microsoft vs EU Kommission: Einigung mit Real Networks
Microsoft hat heute bekanntgegeben, dass eine Einigung mit Real Networks, einem auf Streaming von Medieninhalten spezialisierten Unternehmen, zustande gekommen ist (siehe die Pressemitteilung). Real war eine der führenden Antriebskräfte im Verfahren der EU Kommission gegen Microsoft, in welchem Microsoft verpflichtet wurde, eine Version von Windows zu vertreiben, welche keinen Media Player beinhaltet.
Gemäss der Pressemitteilung verpflichtet sich Microsoft zu einer Zusammenarbeit bezüglich Interoperabilität der beiden Systeme im Bereich der "Digital Rights Management" Systeme. Zudem verpflichtet sich Microsoft dazu, Real den Zugang zu PC OEMs sicherzustellen. Das Windows der nächsten Generation, Windows Vista, wird Konsumenten, welche ein Real media file öffnen wollen und nicht über das notwendige Abspielprogramm verfügen, automatisch zu Real weiterleiten. Zudem bezahlt Microsoft insgesamt USD 61 Millionen in cash.
Die von den Parteien vereinbarten Punkte scheinen in weiten Teilen die wettbewerbsrechtlichen Bedenken bezüglich Real zu beheben (interoperabilität wird gewährleistet, Zugang zur Windows-Plattform wird erleichtert, etc.). Auf das vor dem Europäischen Gericht Erster Instanz hängige Verfahre wird der Vergleich jedoch keinen direkten Einfluss haben. Indirekt ist es jedoch unter Umständen für die Kommission schmerzhaft, die Unterstützung durch Real's Anwälte (Cleary Gottlieb) zu verlieren.
Montag, Oktober 10, 2005
Microsoft und Anti-Virensoftware: Erneute EU-Untersuchung?
Aus Sicht von Microsoft ist eine derartige Integration natürlich verständlich: Einerseits wird so versucht dem Problem entgegezuwirken, dass die Windows-Plattform als beliebtes Angriffs- und Verbreitungsmedium für Computerviren genutzt wird. Andererseits ist die Integration von immer neuen Funktionen direkt in das Betriebssystem eine willkommene Vertriebsmöglichkeit für neue Dienstleistungen. Während private Endanwender bisher nur einmal für eine Lizenz des Betriebssystems bezahlt haben, könnte Microsoft die Aufdatierung der Virenerkennung mit einer periodischen Lizenzzahlung koppeln.
Die Hersteller von Anti-Virensoftware ist dieses Vorgehen natürlich dramatisch. Wie sich schon vielfach gezeigt hat, hat die Integration derartiger Funktionen in der Regel eine erhebliche Umwälzung am Markt zur Konsequenz. Im Nachgang zur Entscheidung von 2004 der Kommission in Sache Microsoft wäre die Eröffnung einer Untersuchung in dieser Angelegenheit nicht erstaunlich. Es gilt abzuwarten, ob sich weitere Hersteller dem Vorgehen von Symantec anschliessen werden.
Vitaminkartell/eingestellte Verhaltensweise: Kein legitimes Interesse der Kommission am Erlass einer Eintscheidung
Im Zusammenhang mit dem Vitaminkartell, welches im Jahr 2001 von der Kommission geahndet wurde, hat das Europäische Gericht erster Instanz am 6. Oktober eine interessante Entscheidung publiziert (Urteil in den verbundenen Rechtssachen T‑22/02 und T‑23/02, Sumitomo Chemical Co. Ltd und Sumika Fine Chemicals Co. Ltd gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften)
In Entscheidung 2003/2/EG vom 21. November 2001 (Sache COMP/E-1/37.512 – Vitamine) hat die Kommission festgestellt, dass mehrere Unternehmen durch die Beteiligung an einer Reihe von Vereinbarungen, die zwölf Märkte von Vitaminerzeugnissen, nämlich die der Vitamine A, E, B 1, B 2, B 5 und B 6, der Folsäure, der Vitamine C, D 3 und H, des Beta-Carotins und der Carotinoide betrafen, gegen Artikel 81 Absatz 1 EG und Artikel 53 Absatz 1 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) verstoßen haben. Die Unternehmen hätten "für die einzelnen Produkte Preise festgelegt und Absatzquoten zugewiesen, Preissteigerungen vereinbart und umgesetzt, Preisbekanntmachungen entsprechend ihren Vereinbarungen herausgegeben, die Produkte zu den vereinbarten Preisen verkauft, einen Mechanismus zur Überwachung und Sicherung der Einhaltung ihrer Vereinbarungen geschaffen und an regelmäßigen Zusammenkünften zur Umsetzung ihrer Pläne teilgenommen haben sollen."
Die japanischen Unternehmen Sumitomo Chemical Co. Ltd und Sumika Fine Chemicals Co. Ltd waren an Absprachen in zwei Märkten in dem Jahren 1991 bis 1994 beteiligt. Gegen diese beiden Unternehmen wurde keine Busse verhängt, da "die auf diesen Märkten festgestellten Verstöße mehr als fünf Jahre vor dem Zeitpunkt eingestellt worden waren, an dem die Kommission ihre Ermittlungen einleitete; deshalb sei Artikel 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2988/74 des Rates vom 26. November 1974 über die Verfolgungs‑ und Vollstreckungsverjährung im Verkehrs- und Wettbewerbsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (ABl. L 319, S. 1) auf diese Verstöße anwendbar gewesen". Jedoch wurde den Unternehmen "aufgegeben, die Verstöße unverzüglich abzustellen, falls sie dies noch nicht getan haben, und sich künftig jeglicher Handlung und jeglichen Verhaltens zu enthalten, die denselben oder einen ähnlichen Zweck bzw. dieselbe oder eine ähnliche Wirkung haben".
Die Frage stellte sich hier natürlich, ob die Kommission berechtigt ist, in einem Verfahren, für welches die Verjährung für Geldbussen und Sanktionen eingetreten ist, überhaupt noch eine derartige Entscheidung gegen die Unternehmen zu fällen. Unter anderem brachten die japanischen Unternehmen vor, dass die Kommission unzuständig gewesen sei, da nach Ablaufe der Verjährungsfrist ein legitimes Interesse am Erlass der Entscheidung notwendig sei. Das Gericht stimmt dem insofern zu, als es anerkennt, dass die Kommission nur "einen Verstoß feststellen könne, den das betroffene Unternehmen bereits abgestellt habe, sofern die Kommission daran ein legitimes Interesse habe" (para. 130).
Die Kommission hat weder in ihrer Entscheidung, noch in ihren Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht ein legitimes Interesse darbringen können. Das Gericht schloss, "dass die Kommission bei Erlass der Entscheidung nicht geprüft hat, ob an der Feststellung der Verstöße der Klägerinnen ein legitimes Interesse bestehe, hat sie einen Rechtsfehler begangen, der zur Nichtigerklärung der Entscheidung führt".
Freitag, Oktober 07, 2005
Urheberrecht und Playstation: Umgehung von "Technical Protection Measures" und "Regional-Codes"
Der Australische High Court hat entschieden, dass die Verwendung eines sog. "Mod Chips" keine Verletzung des Urheberrechts von Sony beinhaltet. Mod Chips sind elektronische Bauteile, welche in die Playstation Hardware eingebaut werden um gewisse von Sony vorgesehene Sicherheitsvorkehrungen zu umgehen. Einerseits ist es mit einer modifizierten PS möglich, Spiele mit anderen Ländercodes abzuspielen (die PS verwendet ein ähnliches System wie die DVD). Ländercodes (Regional Codes) ermöglichen z.B. unterschiedliche Veröffentlichungstermine und regionale Preisdiskriminierung. Andererseits erlaubt der Mod Chip aber auch das Abspielen von selbst gebrannten CDs, welche unter Umständen auch illegal kopierte Spiele enthalten ...
Sony hat schon vor vier Jahren einen in Sydney ansässigen Vertreter von Mod Chips verklagt. In erster Instanz verlor Sony und in zweiter Instanz erhielt Sony recht. Der High Court hat nun am 6. Oktober 2005 in Sachen Stevens v Kabushiki Kaisha Sony Computer Entertainment ([2005] HCA 58) entschieden, dass die Verwendung/Vertrieb von Mod Chips zulässig sei.
Folgende Punkte sind diesbezüglich von Interesse:
1. Ein Mod Chip wurde von Gericht nicht als eine Mittel "Umgehung einer technischen Kopierschutzmassnahme" (Technical Protection Measures , "TPM") betrachtet. Das Gericht macht hier ein leicht spitzfindige Unterscheidung zwischen der Verhinderung des Kopiervorgangs und dem Zugang zum kopierten Material. Der Mod Chip erlaubt nur letzters, und wird nicht zur Reproduktion eines urheberrechtlich geschützten Werks verwendet:
"The use of Mr Stevens' mod chip in order to circumvent the protections provided by (a) the access code on a CD-ROM in which a PlayStation game is stored and (b) the boot ROM device contained within the PlayStation console cannot be said to be for the "purpose" of reproducing a computer game within the sense of s 31 of the Act. Any such reproduction will already have been made through the ordinary process of "burning" the CD-ROM. The mod chip is utilised for a different purpose, namely to access the reproduced computer program and thereafter visually to apprehend the result of the exercise of the functions of the program."
2. Bezüglich der Frage ob TPMs auch dann geschützt sein sollten, wenn sie den Zugang ("access") auf bestimmte Inhalte schützen, ist folgendes dem Urteil zu entnehmen:
"Sony's interpretation of s 116A would enable rights holders effectively to opt out of the fair dealing scheme of the Act. This would have the potential consequence of restricting access to a broad range of material and of impeding lawful dealings as permitted by Div 3 of Pt III of the Copyright Act. The inevitable result would be the substitution of contractual obligations inter partes for the provisions contained in the Copyright Act - the relevant public law. Potentially, this could have serious consequences for the operation of the fair dealing provisions of that Act. This is not an interpretation that should be readily accepted. Especially so where the language of the definition of TPM presents the perfectly acceptable, apparently intentional, and more confined construction expounded by the primary judge"
Dies ist eines der Hauptprobleme mit TPM: der generische Schutz der Schutzmassnahmen erlaubt eine Ausweitung des ursprünglisch gewährten urheberrechtlichen Schutzrechtes auf Verwendungen welche vom Urheberrecht nicht erfasst sind. Somit können Unternhemen nicht nur autonom entscheiden, welcher Umfang die Nutzungsrechte des Konsumenten haben (dies wäre auch mit einem privatrechtlichen Lizenzvertrag möglich), sondern zusätzlich wird diese privatautonome Beschränkung des Nutzungsrechts mittels des gesetzlichen Schutzes der TPM kodifiziert (ein sog. "übercopyright"?).
3. Bezüglich der zweiten Dimension des Falles, der Durchsetzung der Regionalcodes, erkannte das Gericht zunächst, dass die Verwendung derartiger technischer Massnahmen weiter geht als notwendig für den Schutz des Urheberrechts:
"Thus, the purchaser and owner of a PlayStation CD ROM, lawfully acquired, say, in Japan or the United States and brought to Australia, could not play that CD ROM on an unmodified console lawfully acquired, say, in Australia or Europe[123]. By their line the Popes of old divided the world into two spheres of influence. Sony, it appears, has divided the world (for the moment) into at least three spheres or markets. By the combined operation of the CD ROM access code and the Boot ROM in the PlayStation consoles, Sony sought to impose restrictions on the ordinary rights of owners, respectively of the CD ROMS and consoles, beyond those relevant to any copyright infringement as such. In effect, and apparently intentionally, those restrictions reduce global market competition. They inhibit rights ordinarily acquired by Australian owners of chattels to use and adapt the same, once acquired, to their advantage and for their use as they see fit"
Weiter führt das Gericht diesbezüglich aus:
"a purchaser of a Sony CD ROM in Japan or the United States who found, on arrival in Australia, that he or she could not play the game on a Sony PlayStation console purchased in Australia. In the case postulated, there is no obvious copyright reason why the purchaser should not be entitled to copy the CD ROM and modify the console in such a way as to enjoy his or her lawfully acquired property without inhibition. Yet, on Sony's theory of the definition of TPM in s 10(1) of the Copyright Act, it is able to enforce its division of global markets by a device ostensibly limited to the protection of Sony against the infringement of its copyright."
Eine Verwendung des Mod Chips zur Umgehung von Regional Codes sollte somit zulässig sein. Eine derartige legitime Verwendung des Mod Chips wurde vom Gericht als "Upholding fundamental rights" betrachtet.
Den vorstehenden Ausführungen ist anzufügen, dass es natürlich dem Urheberrechtsinhaber erlaubt sein muss, seine gesetzlich geschützten Rechte (auch mittels technischer Schutzmassnahmen) zu verteidigen. Auf der anderen Seite scheint es aber auch vertretbar zu sein, technische Massnahmen, welche einem anderen Zweck als dem Schutz der Urheberrechte dienen, nicht im gleichen Umfang zu schützen. Das Vertriebssystems von Sony sollte demnach nicht das gleiche Mass an Schutz bekommen, als die zugrundeliegenden Werke.
Donnerstag, Oktober 06, 2005
EU Kommission: Nachfolgerin von Herbert Ungerer
Im Nachgang zum Beitrag "Wettbewerbsrecht und Medien: Sesselrücken bei der Kommission" sei nur kurz erwähnt, dass Arianna VANNINI zur Nachfolgerin von Herbert Ungerer als Abteilungsleiterin der Abteilung COMP.C.2 (zuständig für Medien) ernannt wurde. Arianna Vannini war bisher Abteilungsleiterin in COMP.D.3 (Handel, Vertrieb, sonstige Dienstleistungen).
.eu Domainnamen
Gemäss EURid, der für den TopLevel Domain .eu zuständigen Registry, beginnt die erste Registrierungsphase am 7. Dezember 2005.
Die Registrierung ist in drei Phasen geteilt: (i) erste Sunrise Phase (öffentliche Organisationen und Einrichtungen sowie Inhaber von Handelsmarken), (ii) zweite Sunrise Phase (ab 7. Februar 2006; andere Namensinhaber wie zum Beispiel von Familiennamen), und (iii) andere Registrierungen (ab 7. April 2006, "first come, first served").
Eine genauere Regelung, z.B. bezüglich der Markenrechte, welche für die Sunrise Periode qualifiziert sind, kann den "Sunrise Rules" entnommen werden. Aufgrund des nicht überall einheitlichen Standards, unter anderem z.B. bezüglich nichtregistrierten Marken (Section 15 (ii)), welche nur in bestimmten Ländern Schutz geniessen, werden sich wohl einige Streitigkeiten ergeben. Insgesamt ist natürlich zu bedaueren, dass demnach je nach Wohnort einer Person/Sitz einer Gesellschaft unterschiedliche Rechte bezüglich der Domainnamens-Registrierung bestehen.
Dienstag, Oktober 04, 2005
Internationale Mobilfunk-Roaminggebühren
Zweck sei es, vermehrt Transparenz für den Konsumenten einzuführen um ihm so eine gezielte Auswahl des Roamingpartners zu ermöglichen.
Die Idee ist, dass erhöhte Transparenz zu vermehrter Preissensibilität und somit auch zu niedrigeren Preisen führen sollte. In der Tat scheint der teilweise enorme Zuschlag bzw. die grosse Differenz zwischen den verschiedenen Gebühren kaum gerechtfertigt. Siehe hierzu auch die Schlussfolgerungen der ERG (Gruppe der nationalen Regulierungsbehörden im Bereich der Telekommunikation, die die Kommission bei der EU-weiten Koordinierung der Regulierung der elektronischen Kommunikation unterstützt): "Retail charges are currently very high without clear justification"
Im weiteren Zusammenhang sei erwähnt, dass die Kommisssion derzeit laufende Verfahren wegen Missbrauch einer Monopolstellung (Artikel 82) gegen deutsche und britische Mobilfunkbetreiber wegen überhöhter Großkundenentgelte beim Auslandsroaming anhöngig hat, in welchen den Parteien bisher die Beschwerdepunkte (statement of objections") übermittelt wurden (siehe IP/04/994 und IP/05/161).
Die Webseite ist zur Zeit nur auf Englisch verfügbar und leider ist der Nutzwert leicht eingeschränkt, da pro Land nur jeweils 4 Destinationen abrufbar sind. Soweit jedoch dieses Angebot erweiteret wird, kann diese Initiative sicherlich zu erhöhter Transparenz beitragen. Um jedoch ein möglichst breites Publikum zu erreichen wäre es notwendig eine einfachere URL zu wählen: Es ist kaum zu erwarten, dass der Durchschnittsverbraucher die Adresse http://europa.eu.int/information_society/activities/roaming/index_en.htm als einfach zugänglich empfinden wird.
Google Print à l'européenne
Nach der allgemeinen Befürchtung in Frankreich einer "Amerikanisierung" des Weltkulturerbes und der wissenschaftlichen Informationen infolge der starken Ausrichtung von Google Print auf englischsprachige Werke, hat nun die EU Kommission eine Mitteilung mit dem Titel "i2010 Digitale Bibliotheken" veröffentlicht (siehe auch die diesbezügliche Homepage der Kommission). Diese Aktion überschneidet sich mit der Ankündigung von Google, dass Google Print erweitert wird und auch Werke in Französisch, Deutsch, Spanisch, Portugiesisch, Italienisch und Holländisch umfassen soll.
Die Mitteilung der Kommission legt die allgemeine Problematik dar und betont vor allem auch die m.E. grösste Herausforderung für ein derartiges Projekt: die urheberrechtliche Perspektive. Das Hauptproblem von Projekten wie Google Print ist dass schon die Aufnahme des eingelesenen Textes in die Datenbank des Betreibers als eine Reproduktion zu werten ist (siehe hierzu K. Lenz). Die Kommission erwähnt ins diesem Zusammenhang, dass hier unter Umständen eine der Ausnahmen für Bibliotheken, Archive, etc. zur Anwendung kommen könnten. Dies ist jedoch nicht eindeutig immer der Fall, da diesbezüglich die Richtlinie 2001/29/EG keine eigentliche Harmonisierung brachte - Artikel 5 der Richtlinie enthält lediglich die Möglichkeit eine Ausnahme und zudem wird die inhaltliche Ausgestaltung den Mitgliedstaaten überlassen.
Die Kommission schliesst diesbezüglich folgendes:
"Für Literatur bedeutet dies, dass nur Werke aus dem frühen 20. Jahrhundert oder ältere Werke ohne urheberrechtliche Beschränkungen verfügbar sind, je nach Todesjahr des Autors. Aber selbst wenn Urheberrechte abgelaufen sind, gestaltet sich die Lage nicht immer problemlos. Unterschiedliche Ausgaben eines Werks, an dem das Urheberrecht abgelaufen ist, können rechtlich geschützt sein, zum Beispiel durch Rechte an Einleitungen, Einbänden oder Typographien."
Somit ist eine digitale Bibliothek mit aktuellem (nicht gemeinfreiem) Inhalt gemäss der Kommission nur möglich falls ein Übereinkommen mit dem Rechteinhaber besteht oder falls eine Überarbeitung des Urheberrechts erfolgt. Will man uns hier implizit eine weitere Anpassung des Urheberrechts ankündigen? Dies scheint für eine umfassende Digitalisierung von urheberrechtlich geschützten Werken die einzige Möglichkeit zu sein, wenn nicht der direkte Weg einer Übereinkunft mit dem Rechteinhaber eingeschlagen wird. Es ist davon auszugehen, dass kommerzielle Projekte wie Google Print in Zukunft (in Anbetracht der hängigen Klagen von Autoren) vermehrt den Weg einer derartigen Übereinkunft einschlagen.
Fraglich ist, was die langfristige Konsequenz einer parallel geführten öffentlichen und privatwirtschaftlichen Digitalisierung sein wird. Wäre es nicht wünschenswert, wenn die Plattformen vereinheitlicht würden?