Freitag, Oktober 07, 2005

 

Urheberrecht und Playstation: Umgehung von "Technical Protection Measures" und "Regional-Codes"


Nicht im direkten Zusammenhang mit EU-Recht, aber trotzdem von allgemeinem Interesse:

Der Australische High Court hat entschieden, dass die Verwendung eines sog. "Mod Chips" keine Verletzung des Urheberrechts von Sony beinhaltet. Mod Chips sind elektronische Bauteile, welche in die Playstation Hardware eingebaut werden um gewisse von Sony vorgesehene Sicherheitsvorkehrungen zu umgehen. Einerseits ist es mit einer modifizierten PS möglich, Spiele mit anderen Ländercodes abzuspielen (die PS verwendet ein ähnliches System wie die DVD). Ländercodes (Regional Codes) ermöglichen z.B. unterschiedliche Veröffentlichungstermine und regionale Preisdiskriminierung. Andererseits erlaubt der Mod Chip aber auch das Abspielen von selbst gebrannten CDs, welche unter Umständen auch illegal kopierte Spiele enthalten ...

Sony hat schon vor vier Jahren einen in Sydney ansässigen Vertreter von Mod Chips verklagt. In erster Instanz verlor Sony und in zweiter Instanz erhielt Sony recht. Der High Court hat nun am 6. Oktober 2005 in Sachen Stevens v Kabushiki Kaisha Sony Computer Entertainment ([2005] HCA 58) entschieden, dass die Verwendung/Vertrieb von Mod Chips zulässig sei.

Folgende Punkte sind diesbezüglich von Interesse:

1. Ein Mod Chip wurde von Gericht nicht als eine Mittel "Umgehung einer technischen Kopierschutzmassnahme" (Technical Protection Measures , "TPM") betrachtet. Das Gericht macht hier ein leicht spitzfindige Unterscheidung zwischen der Verhinderung des Kopiervorgangs und dem Zugang zum kopierten Material. Der Mod Chip erlaubt nur letzters, und wird nicht zur Reproduktion eines urheberrechtlich geschützten Werks verwendet:

"The use of Mr Stevens' mod chip in order to circumvent the protections provided by (a) the access code on a CD-ROM in which a PlayStation game is stored and (b) the boot ROM device contained within the PlayStation console cannot be said to be for the "purpose" of reproducing a computer game within the sense of s 31 of the Act. Any such reproduction will already have been made through the ordinary process of "burning" the CD-ROM. The mod chip is utilised for a different purpose, namely to access the reproduced computer program and thereafter visually to apprehend the result of the exercise of the functions of the program."

2. Bezüglich der Frage ob TPMs auch dann geschützt sein sollten, wenn sie den Zugang ("access") auf bestimmte Inhalte schützen, ist folgendes dem Urteil zu entnehmen:

"Sony's interpretation of s 116A would enable rights holders effectively to opt out of the fair dealing scheme of the Act. This would have the potential consequence of restricting access to a broad range of material and of impeding lawful dealings as permitted by Div 3 of Pt III of the Copyright Act. The inevitable result would be the substitution of contractual obligations inter partes for the provisions contained in the Copyright Act - the relevant public law. Potentially, this could have serious consequences for the operation of the fair dealing provisions of that Act. This is not an interpretation that should be readily accepted. Especially so where the language of the definition of TPM presents the perfectly acceptable, apparently intentional, and more confined construction expounded by the primary judge"

Dies ist eines der Hauptprobleme mit TPM: der generische Schutz der Schutzmassnahmen erlaubt eine Ausweitung des ursprünglisch gewährten urheberrechtlichen Schutzrechtes auf Verwendungen welche vom Urheberrecht nicht erfasst sind. Somit können Unternhemen nicht nur autonom entscheiden, welcher Umfang die Nutzungsrechte des Konsumenten haben (dies wäre auch mit einem privatrechtlichen Lizenzvertrag möglich), sondern zusätzlich wird diese privatautonome Beschränkung des Nutzungsrechts mittels des gesetzlichen Schutzes der TPM kodifiziert (ein sog. "übercopyright"?).

3. Bezüglich der zweiten Dimension des Falles, der Durchsetzung der Regionalcodes, erkannte das Gericht zunächst, dass die Verwendung derartiger technischer Massnahmen weiter geht als notwendig für den Schutz des Urheberrechts:

"Thus, the purchaser and owner of a PlayStation CD ROM, lawfully acquired, say, in Japan or the United States and brought to Australia, could not play that CD ROM on an unmodified console lawfully acquired, say, in Australia or Europe[123]. By their line the Popes of old divided the world into two spheres of influence. Sony, it appears, has divided the world (for the moment) into at least three spheres or markets. By the combined operation of the CD ROM access code and the Boot ROM in the PlayStation consoles, Sony sought to impose restrictions on the ordinary rights of owners, respectively of the CD ROMS and consoles, beyond those relevant to any copyright infringement as such. In effect, and apparently intentionally, those restrictions reduce global market competition. They inhibit rights ordinarily acquired by Australian owners of chattels to use and adapt the same, once acquired, to their advantage and for their use as they see fit"

Weiter führt das Gericht diesbezüglich aus:

"a purchaser of a Sony CD ROM in Japan or the United States who found, on arrival in Australia, that he or she could not play the game on a Sony PlayStation console purchased in Australia. In the case postulated, there is no obvious copyright reason why the purchaser should not be entitled to copy the CD ROM and modify the console in such a way as to enjoy his or her lawfully acquired property without inhibition. Yet, on Sony's theory of the definition of TPM in s 10(1) of the Copyright Act, it is able to enforce its division of global markets by a device ostensibly limited to the protection of Sony against the infringement of its copyright."

Eine Verwendung des Mod Chips zur Umgehung von Regional Codes sollte somit zulässig sein. Eine derartige legitime Verwendung des Mod Chips wurde vom Gericht als "Upholding fundamental rights" betrachtet.


Den vorstehenden Ausführungen ist anzufügen, dass es natürlich dem Urheberrechtsinhaber erlaubt sein muss, seine gesetzlich geschützten Rechte (auch mittels technischer Schutzmassnahmen) zu verteidigen. Auf der anderen Seite scheint es aber auch vertretbar zu sein, technische Massnahmen, welche einem anderen Zweck als dem Schutz der Urheberrechte dienen, nicht im gleichen Umfang zu schützen. Das Vertriebssystems von Sony sollte demnach nicht das gleiche Mass an Schutz bekommen, als die zugrundeliegenden Werke.



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