Montag, Oktober 31, 2005
UMTS und Qualcomm: Patentrechtsfalle?
Gemäss "The Register" haben Nokia, Panasonic, NEC, Ericsson, Texas Instruments und Broadcom bei der EU-Kommission eine wettbewerbsrechtliche Beschwerde gegen Qualcomm eingereicht. Die Beschwerde erfolgt offenbar im Zusammenhang mit den patentrechtlich geschützten Technologien von Qualcomm, welche für den 3G Mobilfunk verwendet werden.
Qualcom's WCDMA Technologie bildet die Basis des 3G oder UMTS Standards, und im Zeitpunkt der Erarbeitung des Standards hat Qualcom offenbar "versprochen", dass diese Technologie zu "fair, reasonable and non-discriminatory terms" ("chancengleichen, angemessenen und nichtdiskriminierenden Bedingungen"; eine oft verwendete, jedoch nicht einfach anzuwendende Formulierung) lizenziert wird. Jetzt scheint Qualcomm dies jedoch anders anzuwenden:
"Instead, they say, it charged royalties "for its WCDMA essential patents that are excessive and disproportionate". Qualcomm charges as much for its WCDMA-related patents as it does for its CDMA2000 patents "despite the fact that Qualcomm has contributed far less technology to the WCDMA 3G standard than it has to the CDMA2000 standard", they claim.
The six maintain Qualcomm's intention has been to "to exclude competing manufacturers of chipsets for mobile phones from the market and preventing others from entering". In part it has done so by "offering lower royalty rates to handset customers who buy chipsets exclusively from Qualcomm", the rival vendors complain."
Drei Punkte scheinen mir in diesem Zusammenhang erwähnenswert:
1. Es scheint sich hier nicht um einen klassischen "patent ambush" zu handeln, in welchem ein Patentinhaber bei der Ausarbeitung eines neuen Standards teilnimmt und seine eigenen Patente verschweigt, um dann nach Festsetzung und Markteinführung des Standards plötzlich Lizenzgebühren zu verlangen. Siehe zu dieser Problematik z.B. den Beitrag "Competition & Intellectual Property Policy Implications of Late or No IPR Disclosure in Collective Standard-Setting" von einer Mitarbeiterin der GD Wettbewerb, oder dem Rambus Fall. Im vorliegenden Fall wussten die Wettbewerber, dass Qualcomm eine essentielle Technologie besitzt und haben diese (trotzdem) in die Definition des Standards eingeschlossen.
2. Die Ausgestaltung eines Standards, welcher patentrechtlich geschütze Technologien beinhaltet, kann in Form eines sog. Patent- oder Technologiepools geschehen (die notwendigen Technologien werden an den Pool lizenziert, der dann den einzelnen Nutzern die notwendige Lizenz erteilt. In diesem Fall hat die Kommission in ihren "Leitlinien zur Anwendung von Artikel 81 EG-Vertrag auf Technologietransfer-Vereinbarungen" für marktbeherrschende Pools festgehalten, dass "Lizenzgebühren und andere Lizenzbedingungen in fairer und nicht diskriminierender Weise festgelegt werden" müssen und dass es zu keinen "wettbewerbsschädlichen Wirkungen auf den nachgelagerten Märkten kommt" (Rz. 226). Für unterschiedliche Verwendungszwecke können jedoch unterschiedliche Gebühren verlangt werden. Ohne weitere HIntergrundinformationen zum vorliegenden Fall ist es natürlich schwierig abzuschätzen, wie die Situation hier liegt; es scheint jedoch, dass hier kein Patentpool verwendet, da Qualcomm selbst die Lizenzgebühr gegenüber den Handset-Kunden erhebt.
3. Das Verhalten von Qualcomm gegenüber den Handset-Kunden scheint einem wirtschaftlichen "bundling" zu entsprechen, da die Technologielizenz zusammen mit dem Chipset von Qualcomm günstiger ist, als wenn die Lizenz einzeln bzw. für den Gebrauch mit einem Chipset eines Drittherstellers erteilt würde. Dritthersteller haben somit ein doppeltes Handicap: Einerseits müssen sie (wahrscheinlich?) schon für die Produktion des Chipsets Lizenzgebühren entrichten, und andererseits müssen sie ihren Verkaufspreis auf einem Niveau ansetzen, welches die höhere Lizenz der Handset-Kunden egalisiert.
Angesichts der Tatsache, dass hier wirtschaftliche Schwergewichte wie Nokia, Ericsson, NEC, etc. bei der Kommission eine Beschwerde einreichen, ist davon auszugehen, dass diese Beschwerde von der Kommission ernst genommen wird.