Donnerstag, Dezember 22, 2005
Kommission v Microsoft: €2 Millionen Bussgeld pro Tag?
Offenbar ist die von der Kommission in ihrer Entscheidung von 2004 verlangte Offenlegung der Schnittstelleninformationen noch nicht korrekt erfolgt. Gemäss der Kommission seien zwar bestimmte Informationen offengelegt worden, aber deren Umfang/Qualität sei nocht ausreichend.
So habe der Monitoring Trustee / Treuhänders (der britische Professor Neil Barrett) festgestellt, dass "ein Programmierer oder ein Team aus Programmierern, das diese technischen Unterlagen für eine konkrete Entwicklungsübung verwenden möchte, nicht in der Lage wäre, anhand dieser Unterlagen vorzugehen. Die technische Dokumentation ist in dieser Form für ihren Verwendungszweck gänzlich ungeeignet". Außerdem wird in dem Bericht festgestellt, dass "die Dokumentation einen grundlegenden Konzeptionsfehler in sich birgt und die Genauigkeit ihrer Darstellung unzureichend ist... die Verwendung dieser Unterlagen hat sich als ein enttäuschendes, zeitverschlingendes und ergebnisloses Unterfangen erwiesen. Die Dokumentation bedarf einer umfassenden Überarbeitung, um als brauchbar angesehen werden zu können".
Microsoft hat nun fünf Wochen Zeit zur Stellungnahme. Danach kann die Kommission auf Grundlage von Art. 24 der Verordnung Nr. 1/2003 eine tägliche Geldbusse ansetzen. Meines Wissens wäre dies das erste Mal, dass die Kommission von dieser neuen Ermächtigung Gebrauch machen würde.
Montag, Dezember 19, 2005
Art. 82 EGV: Diskussionspapier der EU Kommission über Marktmissbräuche
Siehe hier die Pressemitteilung:
"Die Europäische Kommission hat ein Diskussionspapier zur Anwendung der Wettbewerbsregeln des EG-Vertrags (Artikel 82) auf Unternehmen veröffentlicht, die ihre beherrschende Stellung am Markt missbrauchen. Mit diesem Papier möchte die Kommission eine Debatte darüber eröffnen, wie die Märkte am besten vor wettbewerbsschädlichen Verdrängungspraktiken marktbeherrschender Unternehmen geschützt werden könnten. In dem Papier plädiert die Kommission für eine auch weiterhin konsequente Durchsetzung von Artikel 82 und schlägt, gestützt auf die wirtschaftlichen Analysen im Rahmen jüngerer Einzelfälle, methodische Rahmenvorgaben für die Würdigung der häufigsten Missbrauchspraktiken wie Produktkopplung und Rabatte vor. Andere Missbrauchsformen wie diskriminierende Vertriebspraktiken oder Ausbeutungsmissbrauch, sollen im kommenden Jahr eingehender behandelt werden. Die Kommission nimmt Stellungnahmen zum Diskussionspapier bis 31 März 2006 entgegen."
Zu diesem Anlass wurde auch eigens eine eigene Webseite eingerichtet: http://europa.eu.int/comm/competition/antitrust/others/article_82_review.html
Donnerstag, Dezember 15, 2005
EU-Datenbankrichtlinie ohne positive wirtschaftliche Effekte?
Zur Erinnerung: Das sui generis Recht schützt die Zusammenstellung von Datensätzen, welche insgesamt keine eigentliche urheberrechtliche Schöpfung darstellen, sondern einzig aufgrund der substantiellen Investition in eine derartige Datenbank einen gesetzlichen Schutz geniessen. Siehe Art. 7 der Richtlinie:
"Die Mitgliedstaaten sehen für den Hersteller einer Datenbank, bei der für die Beschaffung, die Überprüfung oder die Darstellung ihres Inhalts eine in qualitativer oder quantitativer Hinsicht wesentliche Investition erforderlich ist, das Recht vor, die Entnahme und/oder die Weiterverwendung der Gesamtheit oder eines in qualitativer oder quantitativer Hinsicht wesentlichen Teils des Inhalts dieser Datenbank zu untersagen."
Die Absicht hinter der Einführung des sui generis Rechts war die wirtschaftliche Stimulierung des Sektors, verstärkte Investitionen und ein Aufholen gegenüber der USA. Der Bericht stellt ernüchternd fest: "the new instrument has had no proven impact on the production of databases". Ein Rückzug der Richtlinie scheint jedoch keine Option zu sein, da die Rechteinhaber und Inhaber von Publikationen weiterhin auf dieses Recht zurückgreifen wollen.
Das Hauptproblem des sui generis Rechts ist das Risiko, dass mittels des Datenbankschutzes auch ein Monopolrehct über bestimmte Daten als solche erteilt werden könnte. Im Zusammenhang mit webbasierten Datenbanken ergibt sich unter anderem etwa ein Problem bezüglich des sog. "deep-linking", in welchem von einer externen Seite direkt auf eine spezifische Seite verwiesen wird, ohne die Einstiegsseite anzuzeigen. Ob es sich hier um einen unzulässigen Eingriff in das sui generis Rechts handelt, wird von nationalen Gerichten unterschiedlich interpretiert (siehe Ziff. 4.1.2 des Berichts).
Der Bericht schliesst mit der Darlegung der verschiedenen Möglichkeiten, wie mit der Richtlinie weiterverfahren werden sollte (Rückzug der Richtlinie, Rückzug des sui generis Rechts, Änderung der sui generis Bestimmungen, oder Aufrechterhalten des status quo).
Mittwoch, Dezember 14, 2005
GE/Honeywell: Bestätigung der Kommissionsentscheidung durch das Gericht erster Instanz
"Zwar hat die Kommission bei ihrer Entscheidung, diesen Zusammenschluss mit dem Gemeinsamen Markt für unvereinbar zu erklären, insbesondere im Rahmen ihrer Bewertung der Konzernwirkungen, die sich aus dem Zusammenschluss ergeben würden, fehlerhaft gehandelt, doch genügt zur Rechtfertigung dieser Entscheidung, dass auf mehreren Produktmärkten beherrschende Stellungen begründet oder verstärkt würden."
Dieses Urteil wird wohl noch einige Diskussionen auslösen ...
Hier die relevanten Links:
Urteil in Rechtssache T-209/01 Honeywell v Kommission
Urteil in Rechtssache T-210/01 General Electric Company v Kommission (zur Zeit nur in E oder F)
Pressemitteilung des Gerichts
EU Kommission: "Genauere Regeln" für die Akteneinsicht in Fusionskontroll- und Kartellverfahren
Somit kann noch nicht wirklich eingeschätzt werden, welche Auswirkungen die angekündigten Änderungen haben werden. Hier schon einmal eine Zusammenfassung aufgrund der Mitteilung:
- Akteneinsicht wird nur den Adressaten einer Mitteilung der Beschwerdepunkte zugute kommen. Beschwerdeführer in Kartellfällen und andere Beteiligte in Fusionskontrollfällen erhalten einen begrenzten Zugang zu bestimmten Dokumenten der Akte. Die Mitteilung äussert sich nicht zur Frage, inwiefern Geschädigte Akteneinsicht erhalten können. Insbesondere im Zusammenhang mit der von der Kommission favorisierten privatrechtlichen Durchsetzung des Wettbewerbsrechts besteht hier eine gewisse Notwendigkeit, Geschädigten Einsicht zu ermöglichen, um nationale Verfahren zu erleichtern.
- Kein Einsichtsrecht besteht für „interne Schriftstücke“. Gemäss der Kommission zählen hierzu sowohl interne Dokumente der Kommission als auch Schriftstücke, die zwischen der Kommission und anderen Behörden ausgetauscht wurden. Dies wird gerechtfertigt sein, sofern diese Schriftstücke keine Grundlage der Entscheidung darstellen und somit die Vertedigungsrechte nicht verletzt werden.
- Kein Einsichtsrecht besteht ebenso für „Geschäftsgeheimnisse“: geschäftliche Informationen, deren Offenlegung dem Unternehmen ernsthaften Schaden zufügen könnte. Die Mitteilung der Kommission wird offenbar Beispiele enthalten und Informationen über Know-how, Kostenberechnungsmethoden sowie Produktionsgeheimnisse und -verfahren nennen. Nicht gennant sind hier Marktanteilsziffern und umsatzbezogene Angaben. Bei der Ausarbeitung von nichtvertraulichen Versionen einer Entscheidung entstehen jedoch gerade hier immer wieder erhebliche Diskussionen, insbesondere da der Ansatz der Kommission nicht immer logisch nachvollzogen werden kann. Zum Teil besteht ein erhebliches Risiko, dass Konkurrenten unnötigerweise weitreichende Informationen zugänglich gemacht werden.
- Schliesslich besteht auch kein Einsichtsrecht bezüglich „anderer vertraulichen Informationen“ welche, eine Person oder ein Unternehmen erheblich schädigen könnten. Dazu zählen beispielsweise Angaben, die es den Unternehmen gestatten würden zu erkennen, wer die Beschwerdeführer oder andere beteiligte Dritte sind, die anonym bleiben wollen.
- Zudem wird das Verfahren für die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zu Vertraulichkeitsanträgen und die Abwägung von Vertraulichkeitsanträgen mit den Verteidigungsrechten geregelt.
Ein interessantes Statement hat sich die Kommission für den letzten Satz aufgehoben: "Das Recht auf „Akteneinsicht“ in Wettbewerbsfällen unterscheidet sich vom allgemeinen Recht auf „Zugang zu Dokumenten“ gemäß der Verordnung des Rates 1049/2001 (siehe IP/01/639), die zu anderen Zwecken erlassen wurde und anderen Regeln unterliegt." Dies scheint ein Knackpunkt zu sein, da die bisherigen Regeln diese Frage nicht ausdrücklich beantworten. Es wird sich zeigen, ob sich allenfalls die Gerichte diesbezüglich der Meinung der Kommission anschliessen wird.
Dienstag, Dezember 13, 2005
Patent ambush: Änderungen der ETSI Regelungen
"Die Nachforschungen der Kommission hinsichtlich der ETSI-Regeln wurden durch Bedenken ausgelöst, dass diese Regeln nicht ausreichend gegen das Risiko einer so genannten Situation vom Typ “patent ambush” während der ETSI-Normungsverfahren schützen. So kann beispielsweise während der Entwicklung einer Norm ein Unternehmen bewusst geheim halten, dass es ein wichtiges geistiges Eigentumsrecht für diese Norm besitzt, um dann nach der Annahme dieser Norm dieses geistige Eigentumsrecht zu deklarieren und bekannt zu geben. Auf diese Art und Weise kann das Unternehmen Kontrolle über die Norm gewinnen und ein potenziell nicht gerechtfertigtes Hindernis zu ihrem Zugang schaffen. Selbst wenn der eigentliche Anspruch auf das geistige Eigentumsrecht als solcher legitim ist, kann die Vorgehensweise des Unternehmens dazu führen, dass möglicherweise alternative Technologien künstlich außer Acht gelassen werden und der Wettbewerbsprozess verzerrt wird. "
Interessant wäre es natürlich zu erfahren, welche Regeln eine Standardisierungsvereinbarung befolgen muss, um nach Ansicht der Kommission genügend sicher gegen einen "patent ambush" zu schützen.
Zudem ist auch von Interesse, dass die Kommission mittels einer derartigen Regelung versucht zu verhindern, dass aufgrund der Einarbeitung des Patents in einen Standard eine beherrschende Marktposition entstehen kann. Sozusagen eine ex ante Verhinderung eines hypothetischen Art. 82 EGV Verstosses? Oder gibt es eine andere Grundlage für das Eingreifen der Kommission?
Donnerstag, Dezember 08, 2005
Grünbuch: Privatrechtliche Kartellrechtsklagen
Im Nachgang zu der von der Kommission in Auftrag gegebenen Studie der Anwaltskanzlei Ashurst mit dem Titel "Study on the conditions of claims for damages in case of infringement of EC competition rules" (von Denis Waelbroeck, Donald Slater und Gil Even-Shoshan) wird die Kommission am 19. Dezember 2005 auf ihrer Webseite das Grünbuch zur privatrechtlichen Durchsetzung des Kartellverbots ("damages actions") veröffentlichen.
Ziel der Kommisson wird es sein, verschiedene Optionen aufzuzeigen, mit welchen private Schadenersatzklagen im Falle von wettbewerbsrechtswidrigen Verhaltensweisen erleichtert werden könnten.
Mittwoch, Dezember 07, 2005
"European Union law at your fingertips"
Der Clou: Beim Aufruf der Entscheidungen in Deutsch, Englisch oder Französisch werden innerhalb des Textes sämtliche zitierten Entscheidungen automatisch als Hyperlinks dargestellt. Eigentlich nicht weltbewegend aber sehr praktisch wenn eine Recherche unter Zeitdruck ausgeführt werden muss ;-)
Besten Dank an die Amicale des référendaires et anciens référendaires de la Cour de justice et du Tribunal de première instance des Communautés européennes!
Sonntag, Dezember 04, 2005
EU Wettbewerbsverfahren gegen ICANN und Verisign?
Kurz zum Hintergrund: ICANN ist die "Internet Corporation For Assigned Names and Numbers", welche für die Verwaltung der Toplevel Domains (z.B. .com, .info, .ch, etc.) zuständig ist. Die Beschwerde betrifft den Vertrag mit welchem ICANN die Zuständigkeit für die Registrierung von Domainnamen mit .com und .net Endungen an Verisign überträgt.
CFIT informiert hier über die verschiedenen Verfahren, welche schon gegen ICANN in den USA eingeleitet wurden. Gemäss The Register wird ICANN in der Beschwerde eine Verletzung von Art. 81 und 82 EGV vorgeworfen, da die Verträge den Konsumenten benachteiligen ("reduction of consumer welfare"), da sie die Möglichkeit eröffnen Preise zu erhöhen, die Auswahl reduzieren und Innovationen verhindern würden.
Ohne den Wortlaut zu kennen, gehe ich davon aus, dass es sich um eine Frage von Exklusivität im "Vertrieb" der Domainnamen mit .com und .net handelt. Da Verisign keine Konkurrenz von anderen Anbietern hat in Bezug auf diese Endungen, besteht natürlich ein gewisser Verdacht, dass derartige Verträge den Wettbewerb hindern könnten. Sofern man davon ausgeht, dass jede Domainnamenendung ein separater Markt darstellt, so würde mit einem Exklusivvertrag für .com jeglicher intrabrand-Wettbewerb ausgeschaltet.
Fraglich ist natürlich, was die Alternative zum bisherigen Vergabeverfahren der ICANN sein könnte. Wahrscheinlich wäre es nicht effizient, wenn ICANN mit mehreren hundert Registry-Gesellschaften Verträge abschliessen müsste. Die Transaktionskosten hierfür wären wohl zu hoch. Eventuell wäre aber eine umgekehrte Auktion denkbar, bei welcher alle paar Jahre verschiedene Registry-Gesellschaften um den Auftrag bieten würden.
Donnerstag, Dezember 01, 2005
Frankreich: Rekordbusse für Mobilfunkkartell
Die drei Unternehmen hätten von 1997 bis 2003 strategische Informationen über Abonnements und Kündigungen ausgetauscht und von 2000 bis 2002 das Einfrieren ihrer Marktanteile vereinbart. Sie hatten damit einen Preiskampf vermeiden und (über Pauschalangebote mit identischen Preistabellen) höhere Gebühren kassieren können. Demnach wurden also keine Preisabsprachen o.ä. getroffen, sondern die Absprache bezog sich hauptsächlich auf den Austausch von Informationen sonstiger Art. Eine derartige Absprache wird wohl nur auf einem oligopolistischen Markt zu einer Wettbewerbsbeschränkung führen, da in einem wettbewerbsintensiven Markt erhöhte Transparenz in der Regel zu verstärktem Wettbewerb führt. In diesem Sinne erinnert die Entscheidung des Conseil de la Concurrence an das Urteil des Gerichts Erster Instanz in Rechtssache T-35/92 John Deere v Kommission.
Siehe hierzu auch meine ursprüngliche Meldung vom 30. August 2005.