Freitag, September 29, 2006

 

Dual pricing und Parallelimporte


Das Europäische Gericht erster Instanz hat mit ihrem Entscheid T-168/01 GlaxoSmithKline Services Unlimited / Europ. Kommission den Entscheid der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2001 betreffend des dualen Preissystems von GlaxoSmithKline (GSK) aufgehoben (siehe hier die Pressemitteilung).

Zur Erinnerung: Das Preissystem von GSK für die spanischen Grosshändlern bewirkte, dass der jeweilige Einkaufspreis höher war wenn diese in andere Mitgliedstaaten ausgeführt wurden. Wirtschaftlicher Hintergrund der Regelung war, dass in Spanien staatlich festgelegte Höchstpreise vorlagen und es für GSK wirtschaftlich nicht sinnvoll war, dass diese Preise mittels Parallelimporte auch in anderen Ländern zur Anwendung kommt. GSK meldete das Preissystem der Europäischen Kommission zu einem Zeitpunkt als diese noch exklusiv für Freistellungen nach Art. 81(3) EGV zuständig war. Die Kommission sah in diesem Preissystem eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung und verneinte die Zulässigkeit einer Freistellung.

Das Gericht erster Instanz hat diese Entscheidung teilweise aufgehoben und festgehalten, dass ein derartiges duales Preissystem (i) nicht eine Wettbewerbsbeschränkung "bezweckt" ("restriction by object") und deshalb (ii) unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmens zu prüfen sein ob eine Wettbewerbsbeschränkung bewirkt ("restriction by effect") wird. Da die konkrete Prüfung ergab, dass infolge des Parallelhandels ein begrenztes, aber tatsächliches Sinken der Arzneimittelpreise ermöglicht wurde und somit eine Wettbewerbsbeschränkung bewirkt wurde.

Jedoch - und dies ist die ausschlaggebende Aussage des Urteils - habe die Kommission den Freistellungsantrag nicht ausreichend geprüft, da "die Frage, ob die allgemeinen
Verkaufsbedingungen durch einen Beitrag zur Innovation, die im Pharmasektor eine
zentrale Rolle spielt, einen wirtschaftlichen Vorteil erzeugen könnten, nicht hinreichend
vertieft" wurde. Somit ist bei der Beurteilung der Verkaufsbedingungen zu Berücksichtigen, dass es dem Pharmaunternehmen gestattet werden muss, die FuE-Kosten zu amortisieren. Dies sollte m.E. auch für die FuE-Kosten für Grundlagenforschung wie auch für Wirkstoffe gelten welche schlussendlich nicht kommerzialisiert wurden. All diese Kosten müssen im Endeffekt innnerhalb der Schutzfrist der Patente amortisiert werden um weiterhin Anreize zu Innovationen zu setzen.

Die Entscheidung wird wohl beide Seiten nicht voll befriedigen, aber die Berücksichtigung der FuE Kosten bei der Erwägung der Zulässigkeit ist sicherlich ein entscheidender Schritt.

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Mittwoch, September 13, 2006

 

Sind Sicherheitsfeatures wettbewerbsrechtlich bedenklich?


Verschiedenen Pressequellen ist zu entnehmen, dass sich die Europäische Kommission und Microsoft offenbar über die zulässigen Produkte Features von Microsoft's nächstem Betriebssystem Windows Vista streiten.

Zur Erinnerung, hier wurde schon einmal berichtet, dass Microsoft beabsichtigt, Windows Vista mit zusätzlichen Sicherheitsfeatures auszurüsten, welche heute teilweise von Drittanbietern angeboten werden (siehe "Wettbewerbsrechtliche Bedenken betr. Windows Vista?").

Der Sprecher von GD Wettbewerb, Jonathan Todd, äussert sich nun diesbezüglich wie folgt (siehe z.B. "EU, Microsoft clash over Vista security features"):

EU competition spokesman Jonathan Todd told a briefing it was up to Microsoft, as "a near monopolist", to ensure compliance with EU antitrust rules in the new system.

Open competition and diversity were the best way of improving software security, he said.

"Such diversity and innovation could be at risk if Microsoft was allowed to foreclose the existing competition in computer security markets ... by bundling its own security products into its dominant operating system," Todd said.

Das Argument, dass Microsoft keine zusätzlichen Features einbauen sollte, welche heute schon von Drittanbietern angeboten werden, habe ich im voran genannten Beitrag schon kommentiert. Wichtig zu beachten ist, dass die fortlaufende Weiterentwicklung eines Betriebssystems nicht zwingend nur durch einen "near monopolist" erfolgt, sondern auch durch andere Betriebssysteme schon vorher praktiziert wurde. So finden sich auch z.B. im MacOS verschiedene Features die zuvor von Drittanbietern erstellt wurden. Diese wurden entweder aufgekauft oder die Features kopiert. Auch wenn es vier konkurrenzierende Anbieter für Betriebssysteme geben würde, würden diese - sofern ein Bedürfnis der Konsumenten besteht - neue Features in ihre Betriebssysteme einbauen. Dies würde sicherlich auch in Bezug auf Sicherheitsfeatures geschehen, wenn es wirtschaftlicher wäre, diese intern zu produzieren.

Der zweite interessante Punkt bezüglich dieses Statements von Todd ist dass Microsoft sozusagen selbst zu wissen habe was sie tun dürfen. Anlässlich einer Pressekonferenz am 12. September sagte er zudem "It is not up to the Commission to tell Microsoft definitvely the precise form that Vista should take ... the Commission does not intend to prevent Microsoft from improving the security of its product ... diversity and innovation could be at risk if Microsoft was allowed to foreclose the existing competition in security software markets". Das kann für Microsoft natürlich höchst problematisch sein, denn je nachdem wie der Media Player Teil der Kommissionsverfügung interpretiert ist praktisch jegliches Bundling unzulässig. Somit darf Microsoft zwar die Sicherheit ihrer Produkte erhöhen, aber bitte nicht so stark, dass andere Anbieter von den übrigbleibenden Sicherheitsmängeln noch leben können. Wenn "diversity und innovation" durch ein Bundling effektiv abnehmen würden, so wäre dies messbar daran ob Viren und Schädlingsprogramme sich vermehrt auf Vista verbreiten trotz der neuen Features. Ist dies der Fall, so besteht natürlich wieder Raum für Drittanbieter, welche ein besseres Produkt verkaufen können. Wenn nicht, so hat der Konsument von der Internalisierung der Sicherheitsfeatures profitiert. Zudem ist sowieso denkbar, dass diejenigen Anwender, die effektiv um Sicherheit besorgt sind, sowieso ein Virenschutzprogramm von Drittanbietern offerieren können. Auf jeden Fall scheint mir die Situation genug unklar damit die Kommission hier klar sagt, was sie als sanktionsbehaftetes Verhalten erachtet.

Donnerstag, September 07, 2006

 

Die Problematik des Frontenwechsels bei der Europäischen Kommission


Einer Meldung von Reuters ist zu entnehmen, dass Henri Piffaut, ein langjähriger Kommissionsbeamter der GD Wettbewerb, die Seiten wechseln und - gerüchteweise - bei der Wirtschaftsberatungsfirma LECG beginnen wird.

Dies ist für sich alleine nichts Besonderes, versuchen doch viele Kommissionsmitarbeiter nach einigen Jahren ihre Erfahrungen und vor allem Beziehungen in der Privatwirtschaft zu "vergolden". Der Fall von Henri Piffaut ist jedoch interessant, da er grundsätzlich vorgesehen war um den Microsoft-Fall der Kommission zu übernehmen. Microsoft ist jedoch laut dem Reuters Bericht auch Klientin von LECG.

Grundsätzlich stellt sich natürlich die Frage inwiefern ehemalige Kommissionsmitarbeiter überhaupt auf derartigen Mandaten arbeiten "dürfen". Klar sollte sein, dass sie nicht in Angelegenheiten tätig werden können, mit welchen sie sich bei der Kommission beschäftigt haben. Nicht verhindern lässt sich wohl jedoch die direkte Kontaktaufnahmen mit den "ehemaligen" Kollegen und der so allenfalls entstehende direkte Draht. Ob sich dies jedoch auch immer für den Klienten positiv auswirkt scheint mir nicht immer eindeutig. Man hat auch schon von Kommissionsmitgliedern gehört, dass eine derartige Vorgehensweise als aggressiver beurteilt wird.

Auf jeden Fall wünsche ich Henri Piffaut, den ich anlässlich einer kleineren Fusionskontrollmeldung als angenehm und kompetent erlebt habe, viel Erfolg bei seinem Schritt in die Privatwirtschaft.

Dienstag, September 05, 2006

 

Schweiz: Vernehmlassung zur neuen Bekanntmachung über Vertikalabreden


Die Schweizer Wettbewerbskommission hat heute einen Entwurf zu einer neuen Bekanntmachung über vertikale Wettbewerbsabreden veröffentlicht. Die Überarbeitung solle den Änderungen des Kartellgesetzes und dem Erlass der KMU-Bekanntmachung Rechnung tragen. Zudem solle eine Harmonisierung mit dem EU-Wettbewerbsrecht angestrebt werden.

Pressemitteilung: Weko eröffnet Vernehmlassung – Revision der Bekanntmachung über Vertikalabreden
Vernehmlassungstext: Bekanntmachung über die wettbewerbsrechtliche Behandlung vertikaler Abreden

Bei einer raschen Durchsicht bin ich über die Vermutungstatbestände in Ziff. 11 gestolpert. Neu sollen auch blosse Preisempfehlungen als Preisfestsetzung gewertet werden ("Auch Preisempfehlungen können eine Preisfixierung darstellen"). Diese allgemeine Qualifikation scheint m.E. zu weit zu gehen, insbesondere in Anbetracht der hieraus resultierenden erheblichen Rechtsunsicherheit und der unterschiedlichen Rechtssituation innerhalb der EU. Insbesondere würde dies - entgegen dem oben erwähnten Zweck der Harmonisierung - der Europäischen Verordnung über Vertikalvereinbarungen (siehe Art. 4 lit. a) und den zugehörigen Leitlinien für vertikal Beschränkungen (siehe insbes. Rz. 47 und 225).

Weitere Kommentare werden sicherlich folgen ...

Montag, September 04, 2006

 

Qualcomm/Broadcom: US Klage abgelehnt


Im Nachgang zu meinem Beitrag vom letzten Oktober (UMTS und Qualcomm: Patentrechtsfalle?) wurde nun in einem Parallelverfahren in den USA ein Urteil erlassen (siehe den Beitrag Broadcom’s Antitrust Lawsuit Against Qualcomm Dismissed des vorzüglichen Blawgs Antitrust Review).

Die US Klage von Broadcom hatte folgenden Inhalt:
The alleged conduct, however, can be summarized and grouped into three categories; Qualcomm’s acts of (1) refusing to license its WCDMA technology on FRAND terms, (2) tying the sale of its UMTS chipsets to the license for its WCDMA patents, and (3) offering discounts and inducements to buyers agreeing not to use the chipsets of a Qualcomm competitor.
Die Richterin des eines US District Courts hat die Klage von Broadcom gegen Qualcom abgelehnt und festgehalten, dass Qualcomm “has not refused to license its patents to Broadcom. Broadcom has refused the licensing terms proposed by Qualcomm.”

Ich habe die Verfügung und die Opinion noch nicht gelesen, aber insofern ein ungerechtfertigtes tying oder ein marktverdrängendes Rabattsystem durch ein marktbeherrschendes Unternehmen praktiziert wird, wäre dies zumindest nach Europäischem Wettbewerbsrecht problematisch. Sobald ich Zeit gefunden habe dies zu analysieren, werde ich darauf zurückkommen.



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