Dienstag, März 27, 2007
Vertikalvereinbarungen: "Streit um Preisempfehlungen"
In der heutigen Online-Ausgabe des Tagesanzeigers findet sich ein interessanter Artikel zur Thematik der Preisempfehlungen: "Streit um Preisempfehlungen".
Wie hier schon angekündigt, beabsichtigt die Wettbewerbskommission in der Neufassung der Bekanntmachung über Vertikalabreden die Preisempfehlung einer Preisfixierung gleichzustellen. Diesem Ansatz haben nun offenbar in der Vernehmlassung diverse Anwaltskanzleien und Wirtschaftsverbände widersprochen. Hauptargument der Kritiker sei, dass ein "pauschales Verbot von Preisempfehlungen [...] aus dem Kartellgesetz nicht abgeleitet werden könne". Das ist korrekt, denn Art. 5 des Kartellgesetzes erfasst einzig Abreden und nicht unilaterale Verhaltensweisen, wie z.B. Empfehlungen.
Der Hinweis im Artikel des Tagesanzeigers, dass die EU-Kommission "dem Autohersteller VW [untersagte], seinen Händlern in Deutschland einen Listenpreis für den VW Passat anzugeben" ist nicht ganz korrekt. Sehr wohl hat die EU-Kommission in ihrer Entscheidung 2001/711/EG vom 29. Juni 2001 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag (Sache COMP/F-2/36.693 - Volkswagen) (ABl. L 262, S. 14) eine Empfehlung zur Preisdiziplin beim Volkswagen Passat als unzulässig gewertet. Diese Entscheidung wurde sodann aber vom Gericht erster Instanz (Urteil vom 3. Dezember 2003 in Rechtssache T-208/01) aufgehoben (siehe auch "Volkswagen/Kommission: Begriff einer "Vereinbarung" i.S.v. Art. 81 EGV") und dies wurde vom Europäischen Gerichtshof bestätigt (Urteil vom 13. Juli 2006 in Rechtssache C-74/04) bestätigt. Die blosse Angabe eines Listenpreises ist demnach in der EU zulässig. Nicht zulässig wäre eine Vereinbarung über die Verbindlichkeit des empfohlenen Preises. Aus der EU-Praxis kann somit nicht abgeleitet werden, dass eine Gleichstellung von Preisfixierung und Peisempfehlung angebracht ist.
Weiter erwähnt der Artikel die Streitfrage ob Interbrand-Wettbewerb (Markenwettbewerb) zur Widerlegung der Vermutung einer Beseitigung des Wettbewerbs beigezogen werden kann. Der Entwurf der Bekannmachung will dies nicht zulassen und der Artikel geht davon aus, dass dies der Regelung in der EU entspreche. Den EU-Leitlinien für vertikale Beschränkungen ist jedoch Folgendes zu entnehmen:
Wie hier schon angekündigt, beabsichtigt die Wettbewerbskommission in der Neufassung der Bekanntmachung über Vertikalabreden die Preisempfehlung einer Preisfixierung gleichzustellen. Diesem Ansatz haben nun offenbar in der Vernehmlassung diverse Anwaltskanzleien und Wirtschaftsverbände widersprochen. Hauptargument der Kritiker sei, dass ein "pauschales Verbot von Preisempfehlungen [...] aus dem Kartellgesetz nicht abgeleitet werden könne". Das ist korrekt, denn Art. 5 des Kartellgesetzes erfasst einzig Abreden und nicht unilaterale Verhaltensweisen, wie z.B. Empfehlungen.
Der Hinweis im Artikel des Tagesanzeigers, dass die EU-Kommission "dem Autohersteller VW [untersagte], seinen Händlern in Deutschland einen Listenpreis für den VW Passat anzugeben" ist nicht ganz korrekt. Sehr wohl hat die EU-Kommission in ihrer Entscheidung 2001/711/EG vom 29. Juni 2001 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag (Sache COMP/F-2/36.693 - Volkswagen) (ABl. L 262, S. 14) eine Empfehlung zur Preisdiziplin beim Volkswagen Passat als unzulässig gewertet. Diese Entscheidung wurde sodann aber vom Gericht erster Instanz (Urteil vom 3. Dezember 2003 in Rechtssache T-208/01) aufgehoben (siehe auch "Volkswagen/Kommission: Begriff einer "Vereinbarung" i.S.v. Art. 81 EGV") und dies wurde vom Europäischen Gerichtshof bestätigt (Urteil vom 13. Juli 2006 in Rechtssache C-74/04) bestätigt. Die blosse Angabe eines Listenpreises ist demnach in der EU zulässig. Nicht zulässig wäre eine Vereinbarung über die Verbindlichkeit des empfohlenen Preises. Aus der EU-Praxis kann somit nicht abgeleitet werden, dass eine Gleichstellung von Preisfixierung und Peisempfehlung angebracht ist.
Weiter erwähnt der Artikel die Streitfrage ob Interbrand-Wettbewerb (Markenwettbewerb) zur Widerlegung der Vermutung einer Beseitigung des Wettbewerbs beigezogen werden kann. Der Entwurf der Bekannmachung will dies nicht zulassen und der Artikel geht davon aus, dass dies der Regelung in der EU entspreche. Den EU-Leitlinien für vertikale Beschränkungen ist jedoch Folgendes zu entnehmen:
Somit findet sich auch für diesen Ansatz keine vollumfängliche Unterstützung in der Praxis der EU.
"Bei den meisten vertikalen Beschränkungen ergeben sich Probleme für den Wettbewerb nur bei unzureichendem Markenwettbewerb, d. h., wenn beim Lieranten oder beim Käufer oder bei beiden eine gewisse Marktmacht vorhanden ist." (Rz 6)
"Eine starke Konkurrenz bedeutet grundsätzlich, dass die Einschränkung des markeninternen Wettbewerbs durch ausreichenden Markenwettbewerb problemlos kompensiert wird." (Rz 188)
Donnerstag, März 22, 2007
Schweizer Fusionskontrolle: Neue Entscheide des Bundesgerichts
Das Schweizerische Bundesgericht hat heute zwei Fusionskontroll-Entscheidungen der Wettbewerbskommission definitiv aufgehoben:
BGE 2A.325/2006 i.S. Unternehmenszusammenschluss Swissgrid
BGE 2A.327/2006 i.S. Unternehmenszusammenschluss Berner Zeitung/Tamedia/20 Minuten
In den beiden Entscheidungen finden sich diverse interessante Erwägungen. Prima vista fallen folgende Punkte auf:
BGE 2A.325/2006 i.S. Unternehmenszusammenschluss Swissgrid
BGE 2A.327/2006 i.S. Unternehmenszusammenschluss Berner Zeitung/Tamedia/20 Minuten
In den beiden Entscheidungen finden sich diverse interessante Erwägungen. Prima vista fallen folgende Punkte auf:
- Gemäss Art. 10 Abs. 2 KG kann ein Zusammenschluss untersagt werden, wenn eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt wird, durch die wirksamer Wettbewerb beseitigt werden kann (lit. a), und der Zusammenschluss keine Verbesserung der Wettbewerbsverhältnisse in einem anderen Markt bewirkt, welche die Nachteile der marktbeherrschenden Stellung überwiegt (lit. b). Die Weko war der Auffassung, dass der Halbsatz "durch die wirksamer Wettbewerb beseitigt werden kann" keine eigenständige Bedeutung hat. Die Rekurskommission und nun das Bundesgericht widersprechen dem. Die Rekurskommission geht demgegenüber davon aus, ein Zusammenschluss dürfe nicht verboten oder lediglich mit Auflagen oder Bedingungen genehmigt werden, wenn es bereits vorher keinen wirksamen Wettbewerb auf dem fraglichen Markt gegeben habe und sich insoweit durch das Fusionsprojekt nichts ändere. Das BGer bestätigt die Rekurskommission und führt aus: "Besteht auf dem fraglichen Markt weder vor noch nach dem Zusammenschluss Wettbewerb und wäre vermehrter Wettbewerb auch nicht zu erwarten, fehlt es an der erforderlichen Wettbewerbswirkung des Fusionsvorhabens. Eine Verweigerung des Zusammenschlusses oder die Anordnung von Nebenbestimmungen sind diesfalls unzulässig" (BGE 2A.325/2006, E. 6.4).
- Marktgegenseite in einem Markt sind einzig diejenigen Kunden, die direkt in Beziehung stehen mit einer Marktleistung, bzw. diese Leistung direkt nutzen können (BGE 2A.325/2006, E. 8.1 und 8.2). Es gibt also keine indirekte Marktgegenseite, die sich aus Kunden der Marktgegenseite zusammensetzen. Diese Auslegung ist m.E.nicht nur bei der Marktabgrenzung relevant, sondern ist auch im Zusammenhang mit Art. 7 Abs. 1 KG von Relevanz ...
- Auflagen und Bedingungen in einem Fusionskontrollverfahren müssen nicht in einem "dialogischen Verfahren" zwischen den beteiligten Unternehmen und der Wettbewerbskommission erstellt werden (BGE 2A.325/2006, E. 9.2).
Mittwoch, März 21, 2007
"Wettbewerbshüter im Kreuzfeuer"
Die Kollegen Marcel Meinhardt und Astrid Waser kritisierten anlässlich des letzten Immaterialgüter- und Wettbewerbsrechtsseminar am Europa-Institut Zürich diverse Praktiken der Schweizer Wettbewerbskommission. Der Tagesanzeiger berichtet hierzu im Artikel "Wettbewerbshüter im Kreuzfeuer" :
In einem der Fälle wurde eine Aufsichtsbeschwerde gegen das Sekretariat eingereicht. Aufsichtsstelle ist der Präsident der Wettbewerbskommission, Walter Stoffel.
"Vorabklärungen. Die Behörde informiert teilweise über so genannte Vorabklärungen und nennt Namen der untersuchten Firmen. «Das Kartellgesetz stellt dafür keine Rechtsgrundlage dar», sagte Meinhardt. Im Klartext: Mit jeder Publikation einer Vorabklärung, etwa im Fall Armasuisse/Transporthelikopter, verletze das Sekretariat das Gesetz.
Stand des Verfahrens. Das Sekretariat informiert vor Abschluss des Verfahrens über seinen Antrag an die Wettbewerbskommission, so zuletzt passiert beim Tessiner Asphaltkartell. «Das Gesetz ermächtigt die Behörde nicht zu einem solchen Schritt», so Meinhardt, der eine der beklagten Parteien vertreten hat.
Voreingenommenheit. Die Behörde unterstellt Unternehmen ein wettbewerbswidriges Verhalten, ohne dass es zu einer Verurteilung gekommen wäre. Beispiel Ticketcorner. Vor Weihnachten stellte das Sekretariat seine Untersuchungen gegen das Billettvermittlungs-Unternehmen ein. Dennoch hiess es in der Mitteilung, dass Ticketcorner seine «marktbeherrschende Stellung missbraucht hatte». Und dies obwohl die Rekurskommission den Entscheid der Wettbewerbskommission vollständig aufgehoben hatte."
Preisüberwacher: Horizontale Kartelle sind nicht mehr bedeutsam
Ihm Jahresbericht 2006 des Preisüberwachers (Rudolf Strahm) findet sich die folgende - sehr bemerkenswerte - Aussage:
"Mit wenigen Ausnahmen ist heute nicht mehr das Horizontalkartell (horizontale Preis-, Mengen- und Gebietsabsprache unter Händlern auf gleicher Vertriebsstufe) bedeutsam."
Eine interessante Aussage, insbesondere wenn man das vorangehende Posting beachtet. Die Europäische Kommission setzt sich intensiv mit Kartellen auseinander.
Der Preisüberwacher scheint vielmehr ein Problem bei vertikalen Vereinbarungen zu sehen. Insbesondere seien Preisempfehlungen problematisch. In den USA diskutiert man gleichzeitig ob vertikale Preisbindung überhaupt noch als problematisch erachtet werden sollte ("Resale Price Maintenance: The wind of change?").
In der Schweiz herrschen scheinbar eine gewisse Bedenken bezüglich vertikaler Absprachen. Siehe hierzu auch die Stossrichtung der Wettbewerbskommission in ihrer Vernehmlassung zu zu einer neuen Bekanntmachung für Vertikalabreden.
"Mit wenigen Ausnahmen ist heute nicht mehr das Horizontalkartell (horizontale Preis-, Mengen- und Gebietsabsprache unter Händlern auf gleicher Vertriebsstufe) bedeutsam."
Eine interessante Aussage, insbesondere wenn man das vorangehende Posting beachtet. Die Europäische Kommission setzt sich intensiv mit Kartellen auseinander.
Der Preisüberwacher scheint vielmehr ein Problem bei vertikalen Vereinbarungen zu sehen. Insbesondere seien Preisempfehlungen problematisch. In den USA diskutiert man gleichzeitig ob vertikale Preisbindung überhaupt noch als problematisch erachtet werden sollte ("Resale Price Maintenance: The wind of change?").
In der Schweiz herrschen scheinbar eine gewisse Bedenken bezüglich vertikaler Absprachen. Siehe hierzu auch die Stossrichtung der Wettbewerbskommission in ihrer Vernehmlassung zu zu einer neuen Bekanntmachung für Vertikalabreden.
EU-Kartellstatistik
Die Europäische Kommission hat eine Statistik der von ihr seit 2002 entschiedenen Kartellfälle inkl. den ausgesprochenen Bussen veröffentlicht: "Cartel statistics"
Publikation zur EU-Bussgeldleitlinie
Gerne weise ich auf eine kürzlich erschienene Publikation von Wouter P.J. Wils (vom Legal Service der Europäischen Kommission) zu den EU Bussgeldleitlinien hin: "The European Commission's 2006 Guidelines on Antitrust Fines: A Legal and Economic Analysis"
Dienstag, März 20, 2007
Zurück aus der Versenkung
Nach einem Monat ohne Blogging-Aktivität melde ich mich wieder zurück. Regelmässige Leser haben sich schon beschwert .... nach vier- arbeitsbedingt - anstrengenden, aber lehrreichen Wochen melde ich mich wieder zurück. Ich werde versuchen, die wichtigsten Ereignisse der letzten noch aufzuarbeiten.