Dienstag, August 30, 2005

 

Frankreich: Kartellabsprachen in der Mobilfunkindustrie?


Gemäss verschiedener Zeitungsberichte besteht der Verdacht, dass von 1997 bis 2003 zwischen den drei französischen Mobilfunkanbieter (Orange, Bouygues Telecom und SFR) eine Kartellabsprache bestand. Dies sei Inhalt eines vorläufigen Berichts der französischen Wettbewerbsbehörde. Der Abschluss des Verfahrens wird in einigen Monaten erwartet.

Wie
Geradin/Petit anmerken, ist dies insbesondere interessant, da in den vergangenen Jahren immer wieder argumentiert wurde, dass parallele Preisentwicklungen im Mobilfunkmarkt als Hinweise auf eine kollektive Marktbeherrschung in einem oligopolistischen Markt zu werten sein könnten, oder aber von bewusstem Parallelverhalten ausgegangen werden kann. Jetzt zeigt sich jedoch, dass, zumindest für den Fall des französischen Marktes, die einfachste Erklärung auch die richtige ist: Zwischen den Wettbewerbern bestand wohl eine Absprache. Geradin/Petit weisen des weiteren auch auf den schon in den sechziger Jahren von Judge Richard Posner verfassten Artikel "Oligopoly and the Antitrust Laws: A Suggested Approach", (1969, 21 Stanford Law Review 1962) hin, in welchem Posner erklärt, dass die meisten Fälle von oligopolistischer Preisparallelität ihren Ursprung in einer Kartellabsprache haben.

Die Schweizerische
Wettbewerbskommission hat sich schon im Jahr 2000 mit dieser Problematik auseinandergesetzt. Die Untersuchung gegen die drei Schweizer Mobilfunkanbieter wurde jedoch eingestellt, da weder eine Wettbewerbsabrede, noch eine kollektive oder individuelle Marktbeherschung festgestellt werden konnte (Verfügung vom 3. Dezember 2001, in RPW 2002/1, S. 97 ff., siehe auch die Medienmitteilung vom 13. Dezember 2001).

Montag, August 29, 2005

 

Französischer Protektionismus?


Im Nachgang zu den Übernahmegerüchten um den französischen Lebensmittelhersteller Danone, scheint sich Frankreich verstärkt für die Möglichkeit einer Beschränkung ausländischer Investoren in spezifischen Sektoren einzusetzen. Der französische Industrieminister François Loos hat in einem Interview mit Les Echos (kostenpflichtig) angeregt, dass innerhalb der Umsetzung der EU Übernahme Richtlinie ermöglicht wird, dass sich Unternehmen mit den gleichen Mitteln gegen ausländische Raiders schützen können, welche diesen in ihrem Herkunftsstaat zur Verfügung stehen. Zudem solle eine Liste mit den strategisch wichtigen Sektoren erstellt werden in welchen eine ausländische Übernahme (vollständig?) verhindert werden sollte (siehe auch den Artikel des EUObservers).

Zur Erinnerung: Nachdem gerüchteweise der US-Nahrungsmittelkonzern Pepsi am französischen Unternehmen Danone interessiert war, hat sich eine Vielzahl französischer Politiker und Regierungsmitglieder hiergegen ausgesprochen, um ein "nationales Vorzeigeunternehmen" vor einer ausländischen Übernahme zu schützen. Ähnlich hatte die französische Regierung schon reagiert im Zusammenhang mit der möglichen Übernahme von Aventis durch Novartis.




 

Computer-implementierte Erfindungen und Patente


Nachdem das Europäische Parlament den von der Kommission vorgeschlagene (und vom Europäischen Rat bestätigte) Richtlinienentwurf nicht angenommen hat, ist es nun wieder am Europäischen Patentamt, die diesbezügliche rechtliche Situation zu klären.

Das EPA hat eine separate "microsite" zum Thema Computer-implementierte Erfindungen und Patente aufgeschaltet, auf welcher Informationen hierzu abgerufen werden können: http://cii.european-patent-office.org/




Freitag, August 26, 2005

 

Art. 82 EGV: Neue wirtschaftliche Betrachtungsweise


Die Europäische Kommission Generaldirektion Wettbewerb hat auf ihrer Webseite den lange erwarteten Bericht der "Economic Advisory Group for Competition Policy (EAGCP)" zur Thematik "An economic approach to Article 82" publiziert.

Dieser Bericht wurde vom Chefökonomen Lars-Hendrik Röller in Auftrag gegeben und von externen Ökonomen verfasst. Der Bericht bindet die Kommission nicht, sondern sollte dazu dienen, neue Gedankenansätze für eine verstärkte wirtschaftliche Betrachtungsweise bezüglich der Beurteilung missbräuchlicher Verhaltensweisen marktbeherrschender Unternehmen (im Sinne von Art. 82 EGV) zu liefern.
Einer der wichtigsten Vorschläge betrifft die Anwendung einer wirkungsbezogenen Beurteilung: Anstatt zuerst festzustellen ob ein Unternehmen marktbeherrschend und dann zu beurteilen, ob eine bestimmte Verhaltensweise missbräuchlich ist, soll einzig darauf abgestellt werden, ob ein bestimmtes Verhalten wettbewerbsbehindernde Auswirkungen hat (eine Definition des relevanten Marktes ist nicht mehr notwendig?). Dies sollte aufgrund ökonomischer Theorien, unterstützt von Fakten und empirischen Beweisen begründet werden. Die zugrundeliegende Idee ist, dass einzig ein marktbeherrschendes Unternehmen in der Lage ist, sich derartige zu verhalten, so dass nicht mehr zusätzlich nachgewiesen werden muss, dass ein Unternehmen auch wirklich marktbeherrschend ist.

Aus prozeduraler Sicht wird dies natürlich einige Probleme für die beteiligten Parteien und Behörden bereiten: Da sich der Nachweis des missbräuchlichen Verhaltens auf ökonomische Theorien abstützt, kann solch ein Verfahren schnell in ein Theorienstreit zwischen verschiedenen wirtschaftswissenschaftlichen Theorien und Schulen entwickeln. Für die entscheidenden Richter wird es nicht einfach sein, zu entscheiden, welche Theorie am überzeugendsten ist. Eine Folge hiervon ist zudem, dass die Vorhersehbarkeit für die Marktteilnehmer umso schwieriger wird, bis erste Entscheide der Gerichte die Theorien gefestigt haben.

Andererseits ist aber zu begrüssen, dass versucht wird eine verstärkt wirtschaftliche Betrachtungsweise einzuführen, welche vermehrt auch auf die effektiven Auswirkungen der Verhaltensweisen abstellt. Dies scheint jedoch im Widerspruch zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichts erster Instanz (siehe z.B. die Entscheidung Michelin II). Es wird sich weisen, inwiefern die Kommission die formulierten Vorschläge in diesem Bericht übernehmen wird.

Aus Schweizer Sicht ist diese Entwicklung ebenfalls von Interesse, besteht doch zur Zeit eine akademische Streitigkeit über die Tragweite des neu formulierten Artikels 4 Abs. 2 des Schweizerischen Kartellgesetzes. Im Sinne einer europakonformen Auslegung des Schweizerischen Kartellrechts scheint es sinnvoll zu sein, auch hier den neuen Ansätzen zu folgen.

Donnerstag, August 25, 2005

 

Online-Musikvertrieb / Santiago Agreement


Die Europäische Kommission hat im Verfahren gegen die niederländischen und belgischen Musikrechte-Verwertungsgesellschaften BUMA und SABAM Verpflichtungszusagen im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 am 17. August 2005 im Amtsblatt der Europäischen Union publiziert.

Gemäss der Pressemitteilung der Kommission beabsichtigt die Kommissarin Kroes "dass das Lizenzvergabesystem der Verwertungsgesellschaften die Entwicklung eines echten europäischen Binnenmarktes für Künstler und Verbraucher nicht behindert“. Demnach soll verhindert werden, dass Verwertungsgesellschaften in ihren Verträgen festlegen, dass eine EWR-weite Lizenz für Online-Musik nur bei der nationalen Verwertungsgesellschaft in welcher der "wirtschaftliche Mittelpunkt" eines Unternehmens liegt, beantragt werden können. Dies könnte zu einer territorialen Aufteilung des EWR-Marktes für Online-Rechte Lizenzierung führen, da eine EWR-weite Lizenz nicht bei einer Verwertungsgesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat beantragt werden könnte.

BUMA und SABAM verpflichten sich gemäss dem veröffentlichten Zusagen, an keiner Vereinbarung mit einer „Klausel über einen wirtschaftlichen Mittelpunkt“ mitzuwirken. Diese Zusagen werden im Amtsblatt veröffentlicht, so dass betroffene Dritte Stellung nehmen können, bevor die Kommission sie per Entscheidung für diese beiden Verwertungsgesellschaften für verbindlich erklärt. Dritte können binnen einem Monat ab Veröffentlichung Stellung nehmen.

Das Verfahren gemäss Art. 9 Abs. 1 von Verordnung 1/2003 eröffnet der Kommission die Möglichkeit, streitige Verfahren mittels einer Verpflichtungszusage zu beenden.

Dieses Verfahren steht im Zusammenhang mit dem anhängigen Verfahren betreffend der sog. "Santiago-Vereinbarung", welche seit 2000 weltweit angewendet wird und die Lizenzvergabe für öffentliche Aufführungen von Musikwerken im Internet regelt. Die Vereinbarung autorisiert jede einzelne Verwertungsgesellschaft, nichtexklusive Lizenzen für die weltweite öffentliche
Aufführung von Musikwerken aus dem Repertoire des Vertragspartners im Internet zu vergeben. Die Europäische Kommission bemängelt in diesem Zusammenhang, dass zur Gewährung der erwähnten weltweiten Multi-Repertoire-Lizenz nach der Santiago-Vereinbarung nur die Verwertungsgesellschaft des Landes befugt ist, in dem der gewerbliche Nutzer seinen tatsächlichen und wirtschaftlichen Mittelpunkt hat und die Meistbegünstigungsklausel gegen Art. 81 EGV verstösst.

BUMA und SABAM bevorzugten die von der Kommission beanstandeten Klauseln nicht zu verteidigen und gaben die oben erwähnten Verpflichtungszusagen ab.

Mittwoch, August 24, 2005

 

Parallelimporte


Sony Europe versucht verstärkt gegen Parallelimporte ihrer Produkte vorzugehen. Die in Europa noch nicht offiziell erhältliche tragbare Variante der Sony Spielkonsole, die Playstation Portable ("PSP"), wird von verschiedenen Internetanbietern ausserhalb des EWR zum Verkauf angeboten.

In zwei vorsorglichen Entscheiden ("summary judgements") haben nun britische Gerichte zugunsten von Sony entschieden, dass ein Verkauf nach Grossbritannien verboten werden kann, da die Markenrechte von Sony nicht erschöpft sind. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung der Europäischen Gerichte (z.B. in der Sache Zino Davidoff und Levi Strauss), wonach der Inhaber einer Marke den Verkauf von Produkten (auf welchen diese Marke angebracht ist) innerhalb des EWR zu verbieten, falls diese Produkte auf einem Markt ausserhalb des EWR in Verkehr gesetzt wurden und der Rechteinhaber einer Vermarktung innerhalb des EWR nicht zugestimmt hat.

Aufgrund der gestaffelten Markteinführung (zuerst Japan, dann die USA, zuletzt Europa) hatte sich hier ein interessantes Betätigungsfeld für Parallelimporteure aufgetan. Interessanterweise waren diese Parallelimporte - anders als im Regelfall - nicht erheblich billiger als in Europa, sondern zeichnen sich dadurch aus, dass sie den offiziellen Markteinführungstermin umgehen.

Demnach finden sich unter den Käufern vor allem "early adopters", welche bereit sind einen mark-up gegenüber dem zukünftigen lokalen Verkaufspreis zu bezahlen. Auch wenn Sony hier prinzipiell und aus juristischer Sicht im Recht ist, kann man sich fragen, ob ein - indirektes - Vorgehen gegen die treusten Kunden aus marketingpolitischer Sicht sinnvoll ist. Sofern der Preisunterschied zwischen dem EWR Produkt und dem Import nicht ausreichend ist, kann davon ausgegangen werden, dass nach der offiziellen Markteinführung innerhalb des EWR die Parallelimporte erheblich geringer ausfallen werden. Ein wirtschaftlicher Schaden wäre somit schwierig nachzuvollziehen.

Aus juristischer Sicht ist jedoch nicht zu bestreiten, dass der Markeninhaber natürlich berechtigt ist, gegen unerlaubte Parallelimporte vorzugehen. Sofern ein Unternehmen über die nötigen Markenrechte verfügt und keine Erschöpfung nachgewisen werden kann, ist dies eine valable Möglichkeit zur Kontrolle des Marktzuganges. Einzig wenn der Markeninhaber jedoch als marktbeherrschend anzusehen ist, könnte die Abschottung des EWR Marktes ev. problematisch sein (siehe die Rechtsprechung in Sachen Micro Leader Business).



Dienstag, August 23, 2005

 

Diverse Berichte und Studien


Zur Zeit erscheint eine Mehrzahl von Berichten und Studien zu verschiedenen Fragstellungen im Zusammenhang mit der Beurteilung missbräuchlichen Verhaltens eines marktbeherrschenden Unternehmens.

Neben der in einem anderen Posting erwähnten Bericht der von der Europäischen Kommission eingesetzten Expertengruppe, sind folgende Berichte besonders erwähnenswert:


Samstag, August 20, 2005

 

Willkommen!


Dieser Blog beschäftigt sich mit der täglichen Flut an Entscheiden, Richtlinien, Entwürfen und Berichten, im hauptsächlich Bereich des europäischen Wettbewerbs-, IP, und IT-Rechts. Aufgrund der grossen Menge, wird hier nur eine Auswahl der interessantesten Entwicklungen dargelegt, und so hat dieser Blog natürlich kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Über allfällige Fragen oder Anregungen würde ich mich freuen.



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