Montag, November 20, 2006

 

Das Ende des Konzernprivilegs?


In der aktuellsten Augabe Nr. 11/2006 der "sic! - Zeitschrift für Immaterialgüter-, Informations- und Wettbewerbsrecht" findet sich ein explosiver Aufsatz von Patrick Krauskopf und Sophie Henckel mit dem unscheinbaren Titel " Art. 2 Abs. 1bis KG: Gedanken zum neuen Unternehmensbegriff".

Der Artikel 2 Abs 1 bis KG wurde in der Kartellgesetzrevision von 2003 eingeführt um auch marktaktive Verwaltungseinheiten von Bundesbehörden dem persönlichen Geltungsbereich des schweizerischen Kartellgesetzes unterstellt (dies war nach dem BGE 127 II 39 umstritten). Der neue Gesetzestext lautet wie folgt:

Als Unternehmen gelten sämtliche Nachfrager oder Anbieter von Gütern und Dienstleistungen im Wirtschaftsprozess, unabhängig von ihrer Rechts- oder Organisationsform.

Die Autoren vertreten nun die Auffassung, dass diese Formulierung nicht nur Verwaltungseinheiten dem persönlichen Geltungsbereich des Kartellgesetzes unterstellt, sondern auch konzerninterne Sachverhalte dem KG unterstellen will. Bisher galt auch in der Schweizer Kartellgesetz-Praxis das sog. Konzernprivileg, welches Vereinbarungen/Weisungen zwischen Konzerngesellschaften als kartellgesetzlich nicht relevant betrachtet. So hielt die Wettbewerbskommission z.B. im Entscheid Swisscom AG/Swisscom Fixnet AG betr. ADSL-Dienste (RPW 2004, S. 407 ff.; Rz. 58) folgendes fest:

Sofern die Muttergesellschaft ihre Tochtergesellschaften effektiv zu kontrollieren vermag und die Möglichkeit tatsächlich ausübt, so dass die Konzerngesellschafte nicht in der Lage sind, sich von der Muttergesellschaft unabhängig zu verhalten, wird der Konzern als Ganzes kartellrechtlich erfasst (selbstständige Wirtschaftseinheit), so dass die Tochtergesellschaften keine Unternehmen im Sinne von Artikel 2 KG darstellen.
Dieses Resultat entspricht auch der Lehre und Rechtsprechung zum Europäischen Wettbewerbsrecht.

Dies soll nun nicht mehr der Fall sein. So wird z.B. in bezug auf vertikal integrierte Unternehmen argumentiert, dass das KG auch auf das Verhältnis zwischen Tochter- und Muttergesellschaft anwendbar ist. Ansonsten könnten Unternehmen mittels vertikaler Integration ihrer Vertriebsgesellschaften die neuen Bestimmungen von Art. 5 Abs. 4 KG zu Vertikalvereinbarungen umgehen. Die Autoren formulieren dies wie folgt:
In diesen Fällen erscheint eine Anwendung des Kartellgesetzes auf Abreden zwischen den verschiedenen vertikal integrierten Marktakteuren gerechtfertigt: Die vom Gesetzgeber gewollte Verschärfung des materiellen Rechts (namentlich Art. 5 Abs. 4 KG) würde wirkungslos verpuffen, wenn sich selbige Unternehmen mittels vertikaler Integration aus der gesetzlichen Verantwortung stehlen könnten.
Dies übersieht, dass in diesen Fällen nicht von unabhängigen Unternehmen gesprochen werden kann, die sich im Geschäftsleben eigenständig verhalten können. Es handelt sich hier um Unternehmensgruppen, bei welchen ein Unternehmen das andere kontrolliert.

Die Statements der Mitarbeiter des Sekretariats der Wettbewerbskommission werden wohl nicht unwidersprochen bleiben.

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