Donnerstag, November 10, 2005

 

iTunes DRM, essential facility und Interoperabilität


Eine aktuelle Publikation von Natali Helberger erlaubt mir auf die Entscheidung No 04-D-54 des französischen Conseil de la Concurrence i.S. VirginMega / Apple Computer vom 9. November 2004 zurückzukommen.

Die Entscheidung der französischen Wettbewerbsbehörde betrifft
FairPlay, das "Digital Rights Management" System (DRM oder DRMS) von Apples's iTunes Service. DRM Technologie wird verwendet um die Verwendung von elektronisch vertriebener Musik zu kontrollieren. Im Gegensatz zu ungeschützten MP3 Dateien können DRM-geschützte Dateien z.B. nur auf einem bestimmten Abspielgerät oder Computer des Käufers verwendet werden und somit wird eine unkontrollierte Weiterverteilung verhindert. Die von erfolgreichen, Apple vertriebenen iPod Abspielgeräte können einzig ungeschützte Musikstücke und FairPlay geschützte Musikstücke abspielen. FairPlay Musikstücke wiederum können einzig über den von Apple betriebenen iTunes Verkaufsservice erworben werden. Somit können Eigentümer eines iPods in der Regel einzig Musik von Apple's iTunes kaufen.

Aufgrund der allgemeinen Popularität des iPods (meine persönliche Erfahrung ist infolge des äusserst mangelhaft konstruierten iPod Nano leider eher negativ) versuchten verschiedene Musikdienste-Ambieter von Apple Zugang zur proprietären DRM Technologie FairPlay zu erhalten um ebenfalls Musikstücke für den iPod anbieten zu können. Während RealNetworks dies mittels einer (wahrscheinlich unzulässigen) technischen Umgehung versuchte, griff Virgin Media auf das Wettbewerbsrecht zurück und verlangte von der französischen Wettbewerbsbehörde, dass die DRM Technologie als eine "essential facility" betrachtet wird, und demnach Virgin Media Zugang gewährt werden muss, da Apple's Verhalten ansonsten missbräuchlich im Sinne von Art. 82 EGV sei.

Eine "essential facility" wird im EG Wettbewerbsrecht anerkannt, wenn (i) der Zugang zu der facility unentbehrlich ist für die Ausübung der Tätigkeit des Zugang begehrenden Unternehmens, (ii) eine Verweigerung des Zugangs geeignet ist, den Wettbewerb auf dem abgeleiteten Markt auszuschalten, (iii) aus betriebswirtschaftlicher Sicht keine Alternative verwendet/implementiert werden kann, und (iv) eine Verweigerung des Zugriffs nicht objektiv gerechtfertigt ist.

Die französische Wettbewerbsbehörde kam (m.E. korrekterweise) zur Auffassung, dass Fairplay keine "essential facility" sei, da (i) nur eine Minderheit Musik auf einem portablen MP3/AAC Player abspielt und die Mehrheit Musik auf CDs brennen würde (dies scheint jedoch das Vertriebssystem teilweise zu verkennen, da in vielen Fällen keine CD Kopien von online vertriebener Musik möglich ist), (ii) da trotz fehlender Interoperabilität Möglichkeiten bestehen würden, um Musik von Virgin Media auf den iPod zu laden, und (iii) da auf dem französischen Markt für iPod-ähnliche Geräte ausreichend Wettbewerb herrsche.

Natali Helberger ist in ihrem Beitrag "Using competition law as tool to enforce access to DRM ... and failing" mit dem Resultat ebenfalls einverstanden, ist jedoch der Ansicht, dass mangelnde Interoperabilität bei DRM Standards trotzdem problematisch sein kann. Die Anwendung der essential facility Doktrin würde jedoch zu mangelnder Rechtssicherheit führen. Trotzdem sei wichtig, dass ein Kunde durch seine Wahl des Abspielgeräts nicht in seiner Wahl der Musikvertriebs-Plattform beschränkt wird. Deshalb sei eine ex ante Reglementierung denkbar, welche den Inhaber einer DRM-Technologie zu einer Lizenzierung seiner Technologie zu fairen und nicht-diskriminierenden Bedingungen verpflichtet. Sie stellt diesbezüglich etwa den Vergleich zu "Conditional Access" Systemen. Gemäss der Zugangsrichtlinien (Richtlinie 2002/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung) kann unter gewissen Umständen Zugang zu Zugangsberechtigungssystemen für Digitalfernsehdienste eines Konkurrenten verlangt werden.

Während ich grundsätzlich mit Natali Helberger übereinstimme, dass eine möglichst offene Infrastruktur für den Konsumenten natürlich in vielen Bereichen interessanter wäre, bin ich mir nicht sicher, ob dies in jedem Fall sinnvoll ist. In vielen Bereichen des täglichen Lebens müssen Entscheidungen getroffen werden welche danach zu einer "lock in" Situation führen. Wenn ich nächstes Jahr die neue Sony Playstation PS 3 kaufe, dann ist mir klar, dass ich hiermit keine Microsoft XBox 360 Spiele verwenden kann. Nicht anders ist es bei der Wahl zwischen Mac und PC, Blu-Ray und HD-DVD, Canon Printer oder HP Printer, etc. Der Konsument wird sich in der Regel darüber im voraus Gedanken machen und, im Fall eines iPods abwägen ob ihm der Zugang zu anderen Musikdiensten wichtiger ist als das Design und Image des iPod. Solange iTunes/iPod keine Marktmacht hat, ist deshalb nicht einzusehen weshalb die Plattform zwingend Dritten geöffnet werden sollte. Dies hat auch enorme wirtschaftliche Konsequenzen, da ein Businessmodell unter Umständen gerade auf der Integration besteht. So werden z.B. iTunes Songs offenbar knapp über dem cost price verkauft und somit teilweise quersubventioniert mit den Gewinnen aus dem Verkauf der iPods.

Eine Zugangsregulierung im Sinne der Zugangsrichtlinie ist meines Erachtens nur dann sinnvoll, wenn das betroffene DRM System eine derartige grosse Verbreitung geniesst, dass dem DRM Inhaber eine "Gatekeeper" Funktion für den Musikmarkt zukommt.



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