Freitag, September 02, 2005

 

AMD v Intel: unzulässige Rabattpolitik?


Am 27. Juni 2005 hat der Chiphersteller AMD in den USA eine Klage gegen das Konkurrenzunternehmen Intel eingereicht. AMD bezeichnet Intel als marktbeherrschend und wirft dem Unternehmen missbräuchliche Verhaltensweisen, in casu wettbewerbsausschliessende Verdrängungspraktiken, im Markt für x86 Mikroprozessoren vor, mit welchen Intel seine "Monopolstellung" abgesichert hätte. AMD führt unter anderem an, dass Intel-Kunden wie Dell, Sony, Toshiba, Gateway und Hitachi - als Gegenleistung für Rabatte, Rückzahlungen und missbräuchliche Preise - zu Vereinbarungen über den ausschließliche Einsatz von Intel-Prozessoren gezwungen wurden. Unternehmen wie NEC, Acer oder Fujitsu seien zu partiellen Exklusivvereinbarungen durch Rabatte und Entwicklungszuschüsse gezwungen worden. Intel habe ein diskriminierendes Bonus-System aufgebaut und Industriestandards forciert, welche AMD behindern.

Intel wurde schon in einem Verfahren vor der
Japanischen Fair Trade Commission ("JFTC") mit ähnlichen Vorwürfen konfrontiert und hatte angekündigt, dass sie gewisse Rabattklauseln in Lieferverträgen mit PC-Herstellern zu streichen. Diese Rabatte wurden offenbar im Gegenzug für partielle Exklusivitätsvereinbarungen gewährt. Intel bestritt die Fakten und die Rechtsauffassung der JFTC, legte jedoch kein Rechtsmittel ein.

Zwischenzeitlich wollte natürlich auch die EU-Kommission am Verfahren "teilhaben" und hat am 12. Juli die Büros von Intel, wie auch Büros von mehreren Herstellern und Grosshändlern von Computern in mehreren Ländern Europas
durchsuchen lassen. Intel hatte schon seit einiger Zeit mit der Kommission indirekte Probleme: Die Kommission vermutete, dass gewisse Klauseln in öffentlichen Beschaffungsaufträgen gegen die EG-Richtline 93/36/EWG verstossen, da sie Produkte von Intel bevorzugten.

Nun liegt die
Klageantwort vor, in welcher Intel die von AMD erhobenen Vorwürfe zurückweist. Insbesondere führt Intel an, dass sämtliche Rabatte und finanzielle Anreize einzig dazu dienen würden, mit der Konkurrenz, i.e. AMD, gleichzuziehen ("to meet competition") wie dies in einem Leistungswettbewerb ("competition on the merits") üblich sei.

Des Europäische Wettbewerbsrecht kennt ebenfalls das "meeting competition" Konzept und der EuGH hat anerkannt, dass es auch einem marktbeherrschenden Unternehmen erlaubt sein muss, seine Preise als Reaktion auf ein Konkurrenzangebot zu senken. Siehe hierzu das Urteil
AKZO v Kommission, Rechtssache C-62/86, insbesondere Paragraph 134. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Gerichte und die KOmmission sehr zurückhaltend ist mit der Anerkennung einer derartigen "Rechtfertigung". Siehe auch für eine ausführliche Auseinandersetzung mit dieser Problematik den Artikel von Waelbroeck/Slater "Meeting Competition: Why it is not an Abuse under Article 82", welcher in der Research Paper Reihe des Europakollegs veröffentlicht wurde.

Des weiteren ist der AMD/Intel Fall natürlich auch bezüglich der Treuerabattpolitik ("loyalty inducing rebate systems") marktbeherrschender Unternehmen interessant. Die Entscheidungspraxis der Kommission und der
Europäischen Gerichte ist diesbezüglich wesentlich strikter als die der US Behörden und Gerichte. Gemäss dem (umstrittenen) Urteil des Europäischen Gerichts erster Instanz in Sachen Michelin II, Rechtssache T-203/01, ist die Kommission nicht verpflichtet die wettbewerbsbehindernden Auswirkungen derartiger Rabattsysteme nachzuweisen. Dies führt quasi zu einer per se Vermutung, dass derartige Rabattsysteme missbräuchlich sind, ohne dass effektive Auswirkungen auf den Markt berücksichtigt werden. Diese Position zieht nicht in Betracht, dass derartige Rabatte sehr wohl auch wettbewerbsfördernde Auswirkungen haben können, z.B. durch eine erhöhte Nachfrage, welche die Refinanzierung der Investitionskosten ermöglicht, durch niedrigere Preise, erhöhte Anreize für Retailer, verstärktem Wettbewerb in nachgelagerten Märkten, etc. In der US-Rechtsprechung wurde mehrfach erkannt, dass auf die effektive Auswirkung abgestellt werden muss, so dass eine Abklärung der Faktenlagen bezüglich Markteintrittsschranken, Umstellungskosten, vertragliche Langzeitbindungen, etc. notwendig ist. Siehe hierzu z.B. das Urteil in Sachen CDC Techs, Inc. v IDEXX Labx., INc., 186 F.3d 74 (2nd Cir. 1999). Wieder einmal ist zu betonen, dass es wünschenswert ist, dass im Zuge der verstärkten wirtschaftlichen Betrachtungsweise der Kommission auch hier eine Anpassung erfolgt.

Es wird sich weisen, welche Vorwürfe gegenüber Intel haltbar sein werden, und welche Position die Kommission im Zusammenhang mit allfällig vorhandedn Rabattsystemen einnehmen wird.


Comments:
danke vielmal für diese ausgezeichnete Zusammenfassung :-)
 
Die Computerhersteller verpflichten sich, nur bei Intel zu kaufen.

Warum ist eine derartige Vereinbarung nicht schon nach Artikel 81 rechtswidrig?

Herzlich willkommen in meiner Blogrolle.
 
Der Kommentar oben war von mir und wurde beim Speichern anonym.
 
Hallo Herr Kollege,

Eine solche Vereinbarung wäre wohl als ein sog. "Markenzwang" zu betrachten. Gemäss der SchirmGVO für Vertikalvereinbarungen und der zugehörigen Leitlinien wäre eine solche Vereinbarung bis zu einem Marktanteil von 30% (und unterhalb von 5 Jahren) grundsätzlich freigestellt. Darüber ist eine Abwägung von wettbewerbsfördernden und -mindernden Wirkungen zu tätigen.

Grundsätzlich erlaubt die Kommission auch marktbeherrschenden Unternehmen die Auferlegung von Wettbewerbsverboten, sofern diese unter Art. 82 sachlich begründet werden könnten (siehe para. 141 der erwähnten Leitlinien).

Grundsàtzlich wäre also eine solche Vereinbarung u.U, schon unter Art. 81 rechtswidrig, aber im Falle eines marktbeherrschnden Unternehmens ist wohl eine Argumentation über Art. 82 einfacher.
 
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