Montag, September 26, 2005

 

Art. 82: Speech von Neelie Kroes


Anlässlich der diesjährigen "Fordham Annual Conference on International Antitrust" hat die EU-Kommissarin für Wettbewerb, Neelie Kroes, eine Rede zur laufenden Überarbeitung der Kommissionspraxis i.S. marktbeherrschender Unternehmen (Art. 82 EGV) gehalten. Der als "Preliminary Thoughts on Policy Review ofArticle 82" titulierte Vortrag erweist sich als eine kleine Goldgrube.

In erster Linie hat sie dargelegt, dass die Kommission sich in der Überarbeitung in erster Linie auf marktausschliessende Verhaltensweisen ("exclusionary behaviour") konzentrieren wird. Des weiteren stellt sie klar, dass Marktbeherrschung im Zusammenhang mit Marktmacht stehe und dass hohe Marktanteile alleine kein ausreichendes Zeichen für Marktbeherrschung sei.

Sie präzisierte sodann bezüglich der Missbräuchlichkeit ("concept of abuse") folgendes:

"My own philosophy on this is fairly simple. First, it is competition, and not competitors, that is to be protected. Second, ultimately the aim is to avoid consumers harm.

I like aggressive competition – including by dominant companies - and I don’t care if it may hurt competitors – as long as it ultimately benefits consumers. That is because the main and ultimate objective of Article 82 is to protect consumers, and this does, of course, require the protection of an undistorted competitive process on the market."

Das tönt interessant und irgendwie so gar nicht nach der bisherigen Praxis der Kommission. Kroes präzisiert sodann jedoch gleich wieder, dass man natürlich die längerfristige Konkurrenzsituation in Betracht ziehen und beurteilen muss, ob Wettbewerber ausgeschlossen werden könnten.

Sodann geht sie dazu über, die Grundsatzentscheidung i.S. Hoffmann-La Roche als Ausgangspunkt zu nehmen und Kroes hebt hervor, dass das Gericht in dieser Entscheidung unter anderem auf die Auswirkungen auf den Markt bezug nimmt - ein Betrachtungswinkel, den das Gericht Erster Instanz in seiner Entscheidung i.S. Michelin II nicht zu teilen scheint ...

Sodann bringt Kroes einige Bemerkungen zur Anwendung des "competition on the merits" Prinizps:

"In my view, “competition on the merits” takes place when an efficient competitor that does not have the benefits of a dominant position, is able to compete against the pricing conduct of the dominant company.

One possible approach to pricing abuses could be based on the premise that only the exclusion of “equally efficient” competitors is abusive. The benchmark for “as efficient” would normally be the costs of the dominant company, except where it is not possible to determine such costs, or when the dominant company, for instance in a newly liberalised market, has some “first-mover advantages” that later entrants cannot be expected to match
."

Auch dieses Statement ist interessant und veranlasst mich zu folgenden Bemerkungen:

1. Man könnte hieraus ableiten, dass das marktbeherrschende Unternehmen sich gleich verhalten kann, wie ein effizienter Wettbewerber. Somit müsste es zulässig sein, die gleichen Preise und Rabatte wie ein effizientes, aber nicht marktbeherrschendes, Unternehmen anzuwenden. Dies spricht für die Zulässigkeit des "meeting competition" durch ein marktbeherrschendes Unternehmen, ohne dass weitere Nachweise der Zulässigkeit eines Verhaltens notwendig wären.

2. Kroes erwähnt als Benchmark den "equally efficient" Wettbewerber: Ein Verhalten, welches einen solchen Wettbewerber vom Markt ausschliesst solle als nicht zulässig gelten. Ist dies so zu verstehen, dass das marktbeherrschende Unternehmen selbst als Benchmark anzusehen ist? In einem Markt, in dem z.B. erhebliche "economies of scale" zu erzielen sind, wäre es einem kleinen Wettbewerber nie möglich, die gleiche Kostenbasis wie ein erheblich grösseres Unternehmen zu erzielen. Gemäss der Definition von Kroes wären derartige Unternehmen somit nicht als "equally efficient" und somit als "inefficient" anzusehen, was einen Marktausschluss als zulässig erscheinen liesse! Wollte sie dies wirklich sagen? Die Ausnahmeklausel betr. "first mover advantage" ist hier m.E. auch nicht sonderlich hilfreich, da "economies of scale" nicht zwingend nur durch den Ersteinsteiger im Markt erzielt werden können.

Zuletzt bricht Kroes sodann eine Lanze für eine "efficiency defence" im Bereich von Art. 82:

"I have to admit that it is difficult to explain why we can consider efficiencies under Article 81 and under the Merger Regulation, but not under Article 82. At the most basic level, the same conduct can be analysed under both Article 81 and Article 82. It would be rather strange if we concluded that a particular form of conduct is not anti-competitive under Article 81, but infringes Article 82, with the only explanation for that divergence being that we cannot work out how to take the pro-competitive aspects into account under Article 82."

Dies ist ein erfreuliches Statement! Gespannt dürften wir nur sein, wie eine derartige "efficency defence" in der Praxis anzuwenden sein wird. Zudem wird das statement jedoch auch wieder relativiert, indem sie präzisiert, dass "competition in respect of a substantial part of the products concerned not be eliminated".

Die Rede von Kommissarin Kroes behandelt eine Vielzahl von höchst interessanten und wichtigen Fragen, aber bezüglich einiger Details hätte man sich ein bisschen mehr Erklärungen gewünscht. Wir sind jedoch nun umso mehr gespannt auf die zukünftigen Ankündigungen der Kommission diesbezüglich!

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