Donnerstag, September 15, 2005

 

Patent = marktbeherrschende Stellung?


Der US Supreme Court wird demnächst eine interessante Entscheidung betreffend der Beurteilung der Marktposition von Patentrechteinhabern fällen:

Independent Ink Inc v Illinois Tool Works Inc betrifft die wettbewerbsrechtliche Beurteilung einer Koppelung ("tying") eines patentrechtlich geschützen Produkts ("tying product") mit einem weiteren Produkt ("tied product"), welches nicht in einem direkten Zusammenhang mit dem ersten Produkt steht. Das US Wettbewerbsrecht verbietet unter Section 1 des Sherman Act eine derartige Koppelung für den Fall, dass das jeweilige Unternehmen im Markt des tying products über eine Marktposition verfügt, welche die Beeinträchtigung des Wettbewerbs im Markt des tied products erlaubt.

Die Vorinstanz, das US Court of Appeals, entschied, dass eine (widerlegbare) Vermutung bestehe, dass der Inhaber eines Patentrechts über eine derartige Marktposition verfüge. Dies bedeutet, dass diesbezüglich die Beweislast umgekehrt würde und ein Kläger nur das Bestehen der Koppelung und das Patent nachweisen muss. Dem Beklagten würde es dann obliegen, den Nachweis zu erbringen, dass er nicht marktbeherrschend ist.

Der Europäische Gerichtshof hat schon vor Jahren anerkannt, dass ein Immaterialgüterrecht seinem Inhaber nicht automatisch eine marktbeherrschende Stellung verschafft (siehe Rechtssache 78/70 Deutsche Grammophon Gesellschaft mbH v Metro-SB-Großmärkte).

Auch aus ökonomischer Sicht scheint es fragwürdig zu sein, von einem Patentrecht sogleich auf eine marktbeherrschende Stellung zu schliessen. Sehr wohl kann ein Patent einem Marktteilnehmer das Recht verschaffen, sich gegen Konkurrenten zu wehren, jedoch nur in wenigen Fällen ist davon auszugehen, dass ein Patentrecht auch wirklich eine marktbeherrschende Stellung verschafft. Eine monopolistische Marktstellung wäre nur gegeben wenn für das mittels des patentrechtlich geschützen Verfahrens hergestellten Produkts kein adäquates Alternativprodukt existiert, und der Patentinhaber somit eine Monopolrente erhalten könnte. Entsprechend ist zur Abklärung einer marktbeherrschenden Stellung zu ermitteln, inwiefern Wettbewerb auf dem Markt des Endprodukts besteht. Dies hängt von der Substituierbarkeit des Produkts ab und nicht vom patentrechtlich gewährten Schutz. Areeda drückt dies wie folgt aus: "Neither ownership of [a] property right nor the power to exclude conveys monopoly power unless the property right in question dominates a properly defined relevant market. The great majority of patents do not." Phillip E. Areeda et al., Antitrust Law ¶ 704a, Rz.159 (2. Aufl. 2002). Die Europäische Kommission schreibt hierzu in ihren Leitlinien zur Anwendung von Artikel 81 EG-Vertrag auf Technologietransfer-Vereinbarungen : "Schutzrechte und Lizenzvereinbarungen werden nicht per se als wettbewerbsrechtlich bedenklich eingestuft." Dies ist schon bei der Definition des relevanten Produktemarktes zu beachten, da in der Regel nicht davon ausgegangen werden kann, dass der relevante Markt mit dem Patent gleichzustellen ist. Siehe hierzu etwa die Leitlinien der Kommission zur Definition des relevanten Marktes.

Demnach ist zu hoffen (und anzunehmen), dass der US Supreme Court in diesem Fall nicht im Sinne der Vorinstanz entscheiden wird.


Comments:
Meiner Meinung nach ist nicht nur die Vermutung einer markbeherrschenden Stellung angesichts IP-Rechte problematisch, sondern auch der per se Ansatz bezüglich der Koppelungsgeschäfte. Allerdings ist hinzufügen, dass diese Vermutung nur im Rahmen der Section 1 gültig ist. Gemäss Section 2 des Sherman Act (monopolisation), reicht die Vermutung einer marktbeherrschenden Stellung auf dem Markt des Koppelungsprodukt nicht; der Kläger muss ausserdem die Existenz einer Marktmacht auf dem Markt des gekoppelten Produkts beweisen.
 
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