Dienstag, November 29, 2005

 

GE/Honeywell: Urteil am 14. Dezember 2005


Das Gericht Erster Instanz wird am 14. Dezember 2005 sein lange erwartetes Urteil in Rechtssachen T-209/01 Honeywell - v- Kommission und T-210/01 General Electric -v- Kommission veröffentlichen (genauer gesagt um 09:30 Uhr).

Zur Erinnerung: Die Kommission hat mit Entscheidung vom 3. Juli 2001 den Zusammenschluss zwischen General Electric und Honeywell untersagt. Der Zusammenschluss wurde zuvor von der Amerikanischen Wettbewerbsbehörde genehmigt. Die transatlantische Divergenz entstand unter anderem aufgrund der unterschiedlichen ökomischen Betrachtungsweise von konglomeralen Zusammenschlüssen und der Bewertung der sog. "portfolio effects". Siehe hierzu etwa den Artikel von Patterson und Shapiro "Trans-Atlantic Divergence in GE/Honeywell: Causes and Lessons".

Das Urteil des Gerichts wird weisen, wie in Zukunft Zusammenschlüsse mit konglomeralem Charakter ("conglomerate effects") umgegangen werden sollte.

Donnerstag, November 17, 2005

 

Volkswagen/Kommission: Begriff einer "Vereinbarung" i.S.v. Art. 81 EGV


In Sachen Volkswagen v. Kommission (Rechtssache C‑74/04 P) hat der Generalanwalt Tizzano heute seine Schlussanträge dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt. Bei dieser Rechtssache handelt es sich um die Anfechtung der Entscheidung des Gerichts Erster Instanz in Rechtssache T‑208/01 Volkswagen/Kommission.

Man erinnere sich, dass das Gericht erster Instanz in diesem Urteil eine Kommissionsentscheidung aufhob, in welcher Volkswagen eines Verstosses gegen Art. 81(1) EGV für schuldig befunden wurde. Der Verstoss sei begangen worden indem VW „die Verkaufspreise für das Modell VW Passat dadurch festgesetzt hat, dass sie ihre deutschen Vertragshändler aufgefordert hat, beim Verkauf dieses Modells keine oder nur beschränkte Preisnachlässe an Kunden zu gewähren“. Eine Busse von 30,96 Millionen Euro wurde verhängt. Die Kommission hat eine abgestimmte Preisdisziplin daraus abgeleitet, dass Volkswagen drei Rundschreiben an sämtliche deutschen Händler und fünf Schreiben an einige von ihnen gesandt hatte, in denen sie ihre Wiederverkäufer unter Androhung rechtlicher Schritte im Fall der Nichtbeachtung anwies, keine (oder nur in sehr begrenztem Umfang) Preisnachlässe beim Verkauf des eines bestimmten Modells (VW Passat ... m.E. liess sich der wohl nur mit einem Preisnachlass verkaufen ...) zu gewähren. Dies sei keine einseitige Anweisung gewesen, "da sie Teil der dauerhaften Geschäftsbeziehung zwischen dem Hersteller und seinen Händlern auf der Grundlage der zugehörigen Händlerverträge gewesen seien". Bezüglich der effektiven Befolgung durch die Vertragshändler stellte die Kommission jedoch folgendes fest: „Ob und in welchem Umfang die deutschen Volkswagen‑Händler ihre Preisgestaltung aufgrund der Rundschreiben und Abmahnungen tatsächlich geändert haben, kann hier dahinstehen“. (!!!)

Das Gericht erster Instanz gelang zur Auffassung, dass „die Feststellung des Vorliegens einer Vereinbarung im Sinne von Artikel 81 Absatz 1 EG den Nachweis einer Willensübereinstimmung“ erfordere und dass „sich diese Willensübereinstimmung … auf ein bestimmtes Verhalten beziehen [müsse], das den Beteiligten daher bei der Zustimmung bekannt sein muss“. Dies sei im vorliegenden Fall nicht gegeben, da der Händlervertrag nicht vorsehe, dass einseitige Aufforderungen zu einem gesetzeswidrigen Verhalten im Vertrag vorgesehen seien, und andererseits hätte die Komission in diesem Falle nachweisen müssen, dass eine tatsächliche Zustimmung der Vertragshändler vorhanden war (was die Kommission ja eben nicht tat). Somit wurde die Kommissions-Entscheidung annulliert.

Der Generalanwalt Tizzano legt in seinen Schlussanträgen sehr klar zuerst die bisherige Rechtsprechung bez. derartiger Weisungen in Vertriebsverträgen dar (schon alleine aufgrund dieser Darstellung sind die Anträge zur Lektüre empfohlen). Er kategorisiert sie wie folgt:

1. Massnahmen, die im Vertriebsvertrag selbst vorgesehen sind (vgl. die Urteile in Sachen Ford, AEG und Bayerische Motorenwerke), mit welchen sich der Vertragshändler ex ante als einverstanden erklärt und sich diesen Massnahmen unterwirft. Gerade dies ist in casu jedoch nicht der Fall, da da die Verträge keine derartige Einverständniserklärung beinhalten.

2. Massnahmen, welchen der Vertriebshändler stillschweigend zugestimmt haben (vgl. das Urteil i.S. Sandoz), z.B. indem ein Vertriebshändler eine Anweisung unter gewissen Umständen nicht beanstandet.

Somit muss der Vertragshändler entweder auf einer vorgelagerten oder einer nachgelagerten Ebene den Massnahmen zugestimmt haben. Eine dieser Willensübereinstimmungen muss nachgewiesen werden. Die Kommission hat sich einzig auf die erstere Variante berufen und das Gericht erster Instanz hat festgestellt (mittels einer Würdigung des Beweiswertes der vorgelegten Beweismittel), dass das vom Autohersteller seinen Händlern auferlegte Verbot, Preisnachlässe zu gewähren, nicht auf eine Bestimmung des Händlervertrags zurückgeführt werden konnte. Eine derartige tatsächliche Feststellung kann der Gerichtshof in der Regel nicht überprüfen. GA Tizzano hält aber zusätzlich auch fest, dass der Wortlaut der Verträge keine andere Interpretation nahelegt. Somit empfiehlt er dem Gericht, das Rechtsmittel der Kommission abzuweisen.

Die Anträge des GA Tizzano sind m.E. zu begrüssen, würde doch ansonsten die Interpretation der Kommission dazu führen, das einem rechtskonformen Vertrag mittels einseitiger Erklärung eine rechtswidrige Anwendung zukommen würde. Zumindest muss die Kommission den Nachweis erbringen, dass eine Willensübereinstimmung bezüglich der Wirkung einer derartigen Weisung bestand. Es ist zu hoffen (und eigentlich auch davon auszugehen), dass der Gerichtshof seine Meinung teilen wird.

Mittwoch, November 16, 2005

 

Endesa/Gas Natural: Keine Fusion von gemeinschaftsweiter Bedeutung?


Die Kommission hat im Verfahren bez. der feindlichen Übernahme von Endesa durch Gas Natural entschieden, dass die Transaktion nicht von gemeinschaftsweiter Bedeutung im Sinne von Art. 1 der Fusionskontrollverordnung (siehe die Pressemitteilung).

Gas Natural ist ein alteingesessenes Erdgasunternehmen in Spanien, wo es auch Strom erzeugt und anbietet. Endesa ist eines der beiden größten Stromerzeugungsunternehmen in Spanien, ist aber auch im Gassektor tätig. Im Stromgeschäft ist Endesa auch in anderen Ländern, vor allem in Portugal, Frankreich und Italien, präsent.

Die Transaktion wurde der spanischen Wettbewerbsbehörde gemeldet. Da es sich um einen feindlichen Übernahmeversuch handelte, versuchte Endesa sodann einzuwenden, dass die spanische Behörde nicht zuständig sei. So sollte ein Verfahren vor der Europäischen Kommission provoziert werden, in der Hoffnung, dass die Kommission gegenüber dem Zusammenschluss kritischer eingestellt ist (siehe etwa die untersagte portugiesische Transaktion EDP/ENI/GDP).

Ein Zusammenschluss ist dann nicht von gemeinschaftweiter Bedeutung, wenn Endesa zwei Drittel ihres Umsatzes in in ein und demselben Mitgliedstaat erzielen würde (Art. 1 Abs. 2 FKVO). Endesa versuchte die Kommission davon zu überzeugen, dass unterschiedliche Rechnungslegungsnormen (IFRS statt spanische Bestimmungen) zur Anwendung kommen und dass gewisse Umsätze ausgenommen werden sollten. Zusätzlich tätigte Endesa gewisse Transaktionen um den spanischen Umsatz zu reduzieren bzw. den ausserspanischen Umsatz zu erhöhen.

Die Kommission wendete jedoch die Zahlen gemäss der geprüften Abschlüsse (und nicht gemäss IFRS) an, und betrachtete die Anpassungen als unzulässig. Die Transaktionen mussten nicht berücksichtigt werden, da diese den Umsatz nicht unter die 2/3-Grenze gebracht hätten.

Die Kommission scheint jedoch mit dieser (rechtlich wohl korrekten) Entscheidung nicht zufrieden zu sein, äussert sich doch Kommissarin Kroes gegenüber der Presse dahingehend, dass es "questionable" sei ob die 2/3-Regel aufrechterhalten werden sollte:

"Given the interdependency of the national economies in Europe as a result of the integration of the Single Market, the two-thirds rule seems to exclude also these transactions which may have a considerable cross-border impact."
"It is necessary to ensure consistent treatment of substantially similar operations whether or not they fall under the two-thirds rule."

"It is required for the commission to deal with the substantial cross-border effects which mergers can have although they currently fall outside the commission's competence due to the...rule."

Dies würde dann wohl eine Änderung der Fusionskontrollverordnung mit sich bringen. Fraglich ist jedoch, welches sodann das Kriterium sein sollte, um eine Fusion von "gemeinschaftsweiter Bedeutung" zu erkennen.

Donnerstag, November 10, 2005

 

iTunes DRM, essential facility und Interoperabilität


Eine aktuelle Publikation von Natali Helberger erlaubt mir auf die Entscheidung No 04-D-54 des französischen Conseil de la Concurrence i.S. VirginMega / Apple Computer vom 9. November 2004 zurückzukommen.

Die Entscheidung der französischen Wettbewerbsbehörde betrifft
FairPlay, das "Digital Rights Management" System (DRM oder DRMS) von Apples's iTunes Service. DRM Technologie wird verwendet um die Verwendung von elektronisch vertriebener Musik zu kontrollieren. Im Gegensatz zu ungeschützten MP3 Dateien können DRM-geschützte Dateien z.B. nur auf einem bestimmten Abspielgerät oder Computer des Käufers verwendet werden und somit wird eine unkontrollierte Weiterverteilung verhindert. Die von erfolgreichen, Apple vertriebenen iPod Abspielgeräte können einzig ungeschützte Musikstücke und FairPlay geschützte Musikstücke abspielen. FairPlay Musikstücke wiederum können einzig über den von Apple betriebenen iTunes Verkaufsservice erworben werden. Somit können Eigentümer eines iPods in der Regel einzig Musik von Apple's iTunes kaufen.

Aufgrund der allgemeinen Popularität des iPods (meine persönliche Erfahrung ist infolge des äusserst mangelhaft konstruierten iPod Nano leider eher negativ) versuchten verschiedene Musikdienste-Ambieter von Apple Zugang zur proprietären DRM Technologie FairPlay zu erhalten um ebenfalls Musikstücke für den iPod anbieten zu können. Während RealNetworks dies mittels einer (wahrscheinlich unzulässigen) technischen Umgehung versuchte, griff Virgin Media auf das Wettbewerbsrecht zurück und verlangte von der französischen Wettbewerbsbehörde, dass die DRM Technologie als eine "essential facility" betrachtet wird, und demnach Virgin Media Zugang gewährt werden muss, da Apple's Verhalten ansonsten missbräuchlich im Sinne von Art. 82 EGV sei.

Eine "essential facility" wird im EG Wettbewerbsrecht anerkannt, wenn (i) der Zugang zu der facility unentbehrlich ist für die Ausübung der Tätigkeit des Zugang begehrenden Unternehmens, (ii) eine Verweigerung des Zugangs geeignet ist, den Wettbewerb auf dem abgeleiteten Markt auszuschalten, (iii) aus betriebswirtschaftlicher Sicht keine Alternative verwendet/implementiert werden kann, und (iv) eine Verweigerung des Zugriffs nicht objektiv gerechtfertigt ist.

Die französische Wettbewerbsbehörde kam (m.E. korrekterweise) zur Auffassung, dass Fairplay keine "essential facility" sei, da (i) nur eine Minderheit Musik auf einem portablen MP3/AAC Player abspielt und die Mehrheit Musik auf CDs brennen würde (dies scheint jedoch das Vertriebssystem teilweise zu verkennen, da in vielen Fällen keine CD Kopien von online vertriebener Musik möglich ist), (ii) da trotz fehlender Interoperabilität Möglichkeiten bestehen würden, um Musik von Virgin Media auf den iPod zu laden, und (iii) da auf dem französischen Markt für iPod-ähnliche Geräte ausreichend Wettbewerb herrsche.

Natali Helberger ist in ihrem Beitrag "Using competition law as tool to enforce access to DRM ... and failing" mit dem Resultat ebenfalls einverstanden, ist jedoch der Ansicht, dass mangelnde Interoperabilität bei DRM Standards trotzdem problematisch sein kann. Die Anwendung der essential facility Doktrin würde jedoch zu mangelnder Rechtssicherheit führen. Trotzdem sei wichtig, dass ein Kunde durch seine Wahl des Abspielgeräts nicht in seiner Wahl der Musikvertriebs-Plattform beschränkt wird. Deshalb sei eine ex ante Reglementierung denkbar, welche den Inhaber einer DRM-Technologie zu einer Lizenzierung seiner Technologie zu fairen und nicht-diskriminierenden Bedingungen verpflichtet. Sie stellt diesbezüglich etwa den Vergleich zu "Conditional Access" Systemen. Gemäss der Zugangsrichtlinien (Richtlinie 2002/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung) kann unter gewissen Umständen Zugang zu Zugangsberechtigungssystemen für Digitalfernsehdienste eines Konkurrenten verlangt werden.

Während ich grundsätzlich mit Natali Helberger übereinstimme, dass eine möglichst offene Infrastruktur für den Konsumenten natürlich in vielen Bereichen interessanter wäre, bin ich mir nicht sicher, ob dies in jedem Fall sinnvoll ist. In vielen Bereichen des täglichen Lebens müssen Entscheidungen getroffen werden welche danach zu einer "lock in" Situation führen. Wenn ich nächstes Jahr die neue Sony Playstation PS 3 kaufe, dann ist mir klar, dass ich hiermit keine Microsoft XBox 360 Spiele verwenden kann. Nicht anders ist es bei der Wahl zwischen Mac und PC, Blu-Ray und HD-DVD, Canon Printer oder HP Printer, etc. Der Konsument wird sich in der Regel darüber im voraus Gedanken machen und, im Fall eines iPods abwägen ob ihm der Zugang zu anderen Musikdiensten wichtiger ist als das Design und Image des iPod. Solange iTunes/iPod keine Marktmacht hat, ist deshalb nicht einzusehen weshalb die Plattform zwingend Dritten geöffnet werden sollte. Dies hat auch enorme wirtschaftliche Konsequenzen, da ein Businessmodell unter Umständen gerade auf der Integration besteht. So werden z.B. iTunes Songs offenbar knapp über dem cost price verkauft und somit teilweise quersubventioniert mit den Gewinnen aus dem Verkauf der iPods.

Eine Zugangsregulierung im Sinne der Zugangsrichtlinie ist meines Erachtens nur dann sinnvoll, wenn das betroffene DRM System eine derartige grosse Verbreitung geniesst, dass dem DRM Inhaber eine "Gatekeeper" Funktion für den Musikmarkt zukommt.



Dienstag, November 08, 2005

 

Finanzsektor: Hindernisse für grenzüberschreitende Fusionen und Übernahmen


Die Generaldirektion Binnenmarkt (DG MARKT) hat heute eine Studie betreffend der "Hindernisse für grenzüberschreitende Fusionen und Übernahmen" (Obstacles to cross-border mergers and acquisitions) im Finanzsektor publiziert.

Das zuständige MItglied der Kommission, Charlie McCreevy stellt diesbezüglich fest, dass die grenzübergreifende Konsolidierung im Finanzsektor bisher nur schwach ausgeprägt sei. Gemäss der Studie sei der Hauptgrund für diese Situation das Fehlen von grenzübergreifenden Synergieeffekten auf der Kostenseite infolge von

a) mangelnder Integration des Binnenmarktes bei Finanzprodukten für Privatkunden;

b) Auswirkungen unterschiedlicher Vorschriften und Praktiken der Finanzaufsicht auf große, grenzübergreifende Finanzkonzerne;

c) Hindernissen für die Unternehmensumstrukturierung auf europäischer Ebene

Dies unterstützt somit die Strategie von McCreevy der sich insbesondere im Bereich des Privatkundengeschäfts für eine verstärkte Harmonisierung ausspricht.





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